Herzlich willkommen bei Stolpersteine in Kassel e. V.
Hier finden Sie Informationen über unsere Tätigkeit in der jüngeren Vergangenheit.
Mehr finden Sie unter dem Menüpunkt "Archiv".
... standen drei der fünf Verlegungen neuer Stolpersteine am 17. Oktober 2024.
An die nach Riga deportierten Emma und Moritz Kaschmann sowie ihre Kinder Hannelore und Fred erinnern nun vier Steine an der Obersten Gasse Ecke Entenanger. Besonders tragisch war das Schicksal von Hannelore, die als Einzige das Kriegsende überlebte, aber drei Wochen danach an den Folgen der Haft im Ghetto und KZs starb.
Das Schicksal der Deportation nach Riga erlitt auch die Familie Katz. Die Steine vor der Friedrich-Ebert-Straße 8 zeugen von dem Tod der Eltern Jenny und Lemann (Leopold) und der Tochter Ursula und davon, dass der Sohn Kurt Riga und das KZ Stutthof überleben konnte, während die Tochter Gerda 1939 noch hatte nach England entkommen können.
Auch für Hedwig und Hermann Israel sowie ihren Sohn Hans Manfred bedeutete die Deportation nach Riga den Tod. Drei Steine vor der Wilhelmshöher Allee 6 erinnern nun an sie.
Der vor der Friedrich-Ebert-Straße 78 verlegte Stein ist Hans Wolfgang Lewandowski gewidmet, der 1935 in die Niederlande geflohen war, 1942 verhaftet, nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde.
Hans Spills Widerstand führte zu seiner Verurteilung und einer langjährigen Haft in mehreren Konzentrationslagern.
Der Stein vor der Hegelsbergstraße 10 verweist darauf, dass Hans Spill 1945 glücklicherweise befreit wurde.
In der HNA vom 21.10.24 schrieb Christina Hein über diese Verlegung:
Enkel und Urenkel von Hans Spill kamen zur Stolpersteinverlegung
Zur jüngsten Verlegung von neuen Stolpersteinen in Kassel gab es in der Nordstadt eine kleine Überraschung: Als die Mitglieder des Stolperstein-Vereins und andere Interessierte nach den Gedenken für die NS-Opfer der Familien Lewandowski, Katz, Kaschmann und Israel als letzte Station am Nachmittag des 17. Oktober 2024 in der Hegelsbergstraße 10 ankamen, erwartete sie dort schon eine kleine Gruppe Menschen. Es waren Familienmitglieder von Hans Spill, die aus der Zeitung erfahren hatten, dass für den Großvater und Urgroßvater vor dessen ehemaligem Wohnort ein Stolperstein verlegt werden sollte. Das war deshalb so erfreulich und überraschend, als die Recherchen des Vereins nach Nachfahren zuvor negativ verlaufen waren, erklärte der Vorsitzende Norbert Sprafke. Ob der einzige noch vor dem Vater verstorbene Sohn von Hans Spill Kinder hatte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Jetzt waren sie in persona in die Hegelsbergstraße gekommen, um weiße Rosen am Stolperstein für ihren Großvater abzulegen: die Geschwister Ute Rumpf und Heike Weckmüller aus Fuldabrück und Uwe Spill aus Kassel. Mit dabei war Uwe Spills Ehefrau Siglinde Spill sowie die Urenkelkinder Danielle und Kelly Flannery. Kelly war aus Frankfurt angereist, um an der von Philipp Hoffmann musikalisch begleiteten Gedenkzeremonie teilzunehmen. (...)
Oben: Verlegung am Entenanger, in der Wilhelmshöher Allee und an der Hegelsbergstraße (In der Bildmitte sind zu sehen: Heike Weckmüller, Siglinde Spill, Ute Rumpf und Uwe Spill im Rollstuhl. Es musiziert Philipp Hoffmann)
Mitte: Jochen Boczkowski, Gudrun Schmidt und Wolfgang Matthäus erläuterten die Schicksale.
Unten: Philipp Hofmann und Mechthild-Veronika Burckhardt begleiteten musikalisch. Jochen Boczkowski verlas die Inschriften.
Am 6. September 2024 - einen Tag vor dem Jahrestag der Deportation nach Theresienstadt verlegten Gunter Demnig und Schüler der Arnold.-Bode-Schule unter Anteilnahme zahlreicher Mitschülerinnen und Mitschüler die zweite Stolperschwelle an der Spur der Deportierten an der Kreuzung Schillerstraße - Erzbergerstraße. Wie auf der ersten Schwelle heißt es:
AUF DIESEM WEG
MEHR ALS 2280 JÜDINNEN UND JUDEN AUS DEM REGIERUNGSBEZIRK KASSEL WERDEN ZUM HAUPTBAHNHOF GETRIEBEN UND DEPORTIERT: 9. DEZEMBER 1941 – RIGA ---- 1.JUNI 1942 MAJDANEK / SOBIBOR ---- 7.SEPTEMBER 1942 THERESIENSTADT
NUR WENIGE ÜBERLEBTEN
Norbert Sprafke begrüßte, Klaus Brocke erläüterte den historischen Hintergrund und Schulleiter Udo Hauser betonte erneut die Verantwortung der Schule, auf deren Gelände sich die Sammelstelle der Deportierten befand.
Anschließend fand eine Veranstaltung der Arnold-Bode-Schule statt, bei der Schulleiter Udo Hauser und Gunter Demnig sprachen. Den Wortlaut finden Sie hier.
Foto: Gunter Demnig und die beiden Schüler Yorick Sorg und Leandro Hohmann.
… kennzeichneten die fünf Verlegungen am 29. Juni 2024, bei denen wir insgesamt wohl mehr als 300 Menschen begrüßen konnten.
Vor der Luisenstraße 5a erläuterten die jungen Zeugen Jehovas Fil Klosse, Leni Kuffner und Johannes Lange die mit Unterstützung von Wilfried Siegner von ihnen recherchierte und verfasste Biografie ihres Glaubensbruders Adolf Buchholtz eindrucksvoll. Max Mardorf und Noah Schmidt unterstützten das musikalisch. Wie auch bei den anderen Stationen verlas am Ende der von Norbert Sprafke moderierten Verlegungen Jochen Boczkowski die Inschrift des Steines, der nun öffentlich an einen jahrelang inhaftierten und gequälten Menschen erinnert.
Die Verlegung in der Weißenburgstraße 8 ergänzte den bereits seit Jahren dort liegenden Stein für Horst Wertheim durch weitere Stolpersteine für die übrigen Familienmitglieder Max, Luise und Marion Wertheim sowie Cäcilie Lion. Jochen Boczkowski führte den Teilnehmenden anschaulich das Schicksal der nach Riga deportierten Menschen vor Augen.
Der als jüdischer Rechtsanwalt verfolgte Dr. Alfred Dellevie hatte am Wilhelmsgymnasium das Abitur abgelegt. Seit einiger Zeit verfolgen dort Schülerinnen und Schüler zusammen mit ihrer Lehrerin Katharina Regett die Schicksale ehemaliger jüdischer Schüler. Am Ständeplatz 10 sprachen Jantina Altmann, Fabian Elsebach und Charlotte Storch über das Leben von Alfred Dellevie, was die Klasse 6e unter der Leitung von Maria Weber-Krüger musikalisch mit Liedern jüdischer Komponistinnen begleitete. Zuvor hatte Ulrike Gote als Erste Beigeordnete des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV), dem heute das Grundstück gehört, ein Grußwort gesprochen. Sie betonte dabei die Berührungspunkte zwischen dem LWV und dem Projekt Stolpersteine, vor allem durch die Steine, die an Opfer des Mordes an Kranken und Behinderten oder in Breitenau Inhaftierte erinnern.
Die Verlegung der Steine für das Ehepaar Toni und Emil Rubensohn sowie Getrud Hallo und ihre Kinder Ruth, Susanne und Wolfgang (William) vor dem Alfred-Delp-Haus in der Kölnischen Straße 51 glich einem Familientreffen. 39 Mitglieder der Familie Hallo waren aus den USA, Frankreich, Irland und den Niederlanden zu diesem Anlass nach Kassel gekommen. Die Kirchengemeinde St. Familia, vor deren Gemeindezentrum die Steine nun liegen, unterstützte die Einweihungsfeier: Pfarrer Harald Fischer sprach ein Grußwort, Elli Ittner (Klarinette) und Friederike Wagner (Tenorsaxophon) ließen Klezmer Musik erklingen. Wolfgang Matthäus führte den Anwesenden die Geschichte mehrerer Generationen der Familie Rubensohn/Hallo von ihren Ursprüngen bis zum Leben in der Emigration in den USA vor Augen. Das ergänzten mehrere Mitglieder der nachfolgenden Generationen durch sehr persönliche Redebeiträge, die den Zuhörenden berührende Einblicke in die Welt Nachfahren der Opfer gaben.
Oben: Wolfgang Matthäus, Harald Fischer, Elli Ittner (Klarinette) und Friederike Wagner (Tenorsaxophon)
Unten: Familie Hallo, Wendy Landman - Tochter von Ruth Hallo Landman, Emile Hallo - Enkel von Wolfgang (William) Hallo, Allyson Aborn and Toni Kalem -Töchter von Sue Hallo Kalem
Die Familie John, Resi, Kathrin, Lore und Ilse Katzenstein hatte bis 1933 in der Kleebreite 21 gewohnt und war Mitglied der Erbbau-Genossenschaft Kassel. Zur Verlegung der Stolpersteine hatte sich diese ganz stark engagiert und dabei zahlreiche ihrer Mitglieder mobilisiert. Jürgen Reekers betonte in seinem Grußwort die Verantwortung der Genossenschaft. Auch Oberbürgermeister Dr. Sven Schöller war gekommen, um ein Grußwort zu sprechen und der Verlegung beizuwohnen. In ihrem Mittelpunkt stand eine Gruppe der Geschichtswerkstatt des Friedrichsgymnasiums um ihre Betreuerin Christine Jakubowsky (unterstützt von
Daaje van Ophuysen, René Mallm und Thekla Bodenstein). Jonas-Maximilian Heidrich, Asli Ogur, Hannah Webel, Shirin Fraij und Katharina Mikhaldyko hatten sich über Jahre hinweg mit der Familiengeschichte befasst und die Verlegung von Stolpersteinen angeregt. Nun ließen sie diese über ihre detailreichen Forschungen hinaus in sehr beeindruckender und berührender Weise mit Zitaten aus der Familie lebendig werden. Hannah Webel und Katharina Mikhaldyko und Jennifer Lengemann gaben dem einen musikalischen Rahmen. Zu den Verdiensten der Gruppe gehörte es auch, mit Yoram-Illy Ehrlich und Kenneth Vogel (USA) zwei Nachfahren der Familie aufgespürt und bewegt zu haben, nach Kassel zu kommen.
Nach der Einweihung der Steine lud die Erbbaugenossenschaft zum Kaffetrinken im Garten des Hauses ein.
Weitere Berichte zu dieser Verlegung:
Geschätzt 100 Menschen beteiligten sich an der Einweihung - Jonas-Maximilian Heidrich, Asli Ogur, Hannah Webel, Shirin Fraij und Katharina Mikhaldyko - Jürgen Reekers und OB Dr. Sven Schoeller
Hannah Webel und Katharina Mikhaldyko und Jennifer Lengemann - OB Dr. Scholler spricht - Ausklang im Garten
Bei unserem Wettbewerb zum Thema Stolpersteine gehörten SchülerInnen der Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule aus dem Geschichtskurs von Mareike Görtz sowie zwei Ethikkursen von Stefanie Wenzel zu den Preisträgern. Für die Bibliothek ihrer Schule hatten sie ein Buch-Konvolut zum Themenkomplex Shoa und Judenverfolgung durch das NS-Regime gewonnen. Diese zwei Dutzend Bücher sind jetzt durch den Vereinsvorstand Norbert Sprafke und Klaus Brocke in der Schule in Oberzwehren übergeben worden. Zu den Titeln gehörte Martin Doerrys Biografie seiner Großmutter Lilli Jahn ebenso wie die Graphik Novel „Irina“ von Barbara Yelin.
Das Foto zeigt die Lichtenberg-Schülerinnen (vorne von links) Fiona Hein und Carina Eckhardt; dahinter (von links) Neele Leonie Kohlhaas (FSJ), Schüler Friedrich Goldbach und Lehrerin Sylvia Hund-Göschel sowie im Hintergrund vom Stolperstein-Vereinsvorstand Klaus Brocke und Norbert Sprafke.
Gunter Demnig und Schüler der Arnold-Bode-Schule verlegten am 8. Dezember 2023, einen Tag vor dem 82. Jahrestag der Deportation nach Riga, die erste Stolperschwelle an der Spur der Deportierten. Unser stellv. Vorsitzender Klaus Brocke sprach zur Bedeutung des Ereignisses, der Schulleiter der Arnold-Bode-Schule Udo Hauser würdigte das umfangreiche Engagement von Schülerinnen und Schülern im Rahmen der schulischen Erinnerungsarbeit, Gunter Demnig selbst gab Einblicke in die Anfänge seines künstlerischen Projektes und dessen unvorhersehbare Entwicklung, die inzwischen zur Verlegung von weit mehr als 100.000 Stolpersteinen geführt hat.
Schulleiter Udo Hauser und Schüler der Arnold-Bode-Schule
Klaus Brocke, Gunter Demnig und Jochen Boczkowski, der die Inschrift des Steines vorliest.
Sie lautet:
AUF DIESEM WEG
MEHR ALS 2280 JÜDINNEN UND JUDEN AUS DEM REGIERUNGSBEZIRK KASSEL WERDEN ZUM HAUPTBAHNHOF GETRIEBEN UND DEPORTIERT: 9. DEZEMBER 1941 – RIGA ---- 1.JUNI 1942 MAJDANEK / SOBIBOR ---- 7.SEPTEMBER 1942 THERESIENSTADT
NUR WENIGE ÜBERLEBTEN
sagen wir allen, die auch in diesem November wieder unserem Aufruf gefolgt sind, Stolpersteine zu pflegen und zu schmücken. Stellvertretend für so viele sei die Familie Kolwicz genannt, von der wir eine Reihe von Fotos erhielten.
Es war auch ein kleines Familienteffen, als wir in der Oberen Königsstraße 27 für die Familie Löser, die hier früher ein Kaufhaus betrieb, Stolpersteine verlegten. Den Eltern und ihren beiden Kindern, war es gelungen, rechtzeitig ins Ausland zu gelangen. Mehr als zehn Angehörige waren aus unterschiedlichen Ländern angereist, um der Einweihung der Stolpersteine beizuwohnen, die von Cynthia Tilden-Machleidt angeregt und von Schülerinnen und Schülern des Wilhelmsgymnasiums musikalisch eindrucksvoll umrahmt wurde.
Einen Film von der Verlegung finden Sie hier.
Unten: Cynthia Tilden-Machleidt erläutert die Familiengeschichte auf Englisch - eine Schülerin auf Deutsch.
Famlienfoto nach der Einweihung der Steine.
In der Großen Rosenstraße 22 (wo bereits Steine für die Familie Plaut liegen) stellte Jochen Boczkowski die von ihm erforschte Biografie von Josef Zunterstein vor, der als Kind nach Kassel gekommen war und nach mehreren Deportationen kurz vor Kriegsende den Leiden im KZ erlag.
Wo einst eine Gastwirtschaft in der Hohentorstraße stand, verläuft heute die Kurt-Schumacher-Straße. Hier verlegten wir einen Stolperstein für Kaspar Brede, ihren Wirt in der NS-Zeit. Der Stein war von Bastian Adam angeregt worden, der sich als Student mit der Biografie eines Mannes befasst hatte, der sich nicht einfach anpassen ließ und das mit dem Tod im KZ bezahlte. In eindrucksvollen Worten berichtete Bastian Adam, wie es dazu kam.
Anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren gestalteten Künstler:innen das Staatstheaters ein Programm zur Erinnerung an die verfolgten jüdischen Mitarbeiter:innen und zur Mahnung vor dem wieder erstarkenden Antisemitismus. Dazu gehörten eine Kranzniederlegung, Gedichte, Prosatexte und Lieder u. a. der 1944 in Auschwitz ermordeten Komponistin Ilse Weber.
... führte der Weg bei den vier Verlegungen am 19. Oktober 2023: An der Berlepschstraße 1 und der Lutherstraße 1 für Angehörige der Familie Schwarzenberger, an der Hafenstraße 31 für den politisch Verfolgten Karl August Quer und schließlich an der Waisenhausstraße 11 für den Kommunisten und langjährigen KZ-Häftling August Furhrmann.
Verlegungen für die Familie Schwarzenberger in der Berlepschstraße 1 (oben links) und an der Lutherstraße 1 (rechts). Jakob Axenrod sprach das Gebet. Wolfgang Bahr, Gudrun Schmidt und Margrit Stiefel erläuterten die Familien- und Verfolgungsgeschichte, Elena Padva begleitete mit Gitarre und Gesang. Tom und Stan Weisner waren als Großneffen von Paula Schwarzenberger eigens zur Stolpersteinverlegung aus den USA gekommen. Stan sang: "Sometimes I feel like a motherless child." Über ihren Besuch berichtete die HNA am 19.10.23.
Philipp Hofmann und Jochen Boczkowski sangen gemeinsam bei der Stolpersteinverlegung für Karl August Quer in der Hafenstraße 31, Wolfgang Matthäus sprach über das Leben des politisch und gewerkschaftlich engagierten Pädagogen als einem erbitterten Gegner der Nazis.
Die Leiterin der Gedenkstätte Breitenau Dr. Ann Katrin Düben konnte sich bei ihrer Erläuterung der Biografie des Kommunisten August Fuhrmann, eines - wie auch Karl August Quer - ehemaligen Breitenau-Häftlings, auf Akten wie auch Teile seines Nachlasses stützen. Diesen hatten Familienangehörige der Gedenkstätte zukommen lassen. Zahlreiche von Ihnen waren bei der Verlegung dabei, die Philipp Hofmann musikalisch unterstützte. Sie waren sichtlich gerührt, aber auch stolz auf die Würdigung ihres Vorfahren.
Nach jahrelangen Bemühungen konnten wir am 7. September 2023, dem Jahrestag der Deportation nach Theresienstadt, endlich vor der Mombachstraße 17 eine Tafel einweihen, die an das Israelitische Altersheim und seine Bewohnerinnen und Bewohner erinnert. Fast 200 Menschen, darunter zahlreiche Schülerinnen und Schüler der benachbarten Elisabeth-Knipping-Schule, wohnten der Einweihung bei.
Norbert Sprafke moderierte, Wolfgang Matthäus sprach über die Geschichte des Altersheims und insbesondere über die Deportation nach Theresienstadt, der über 70 Menschen aus dem Heim zum Opfer gefallen waren. Elena Padva und Maria Radzikhovskiy begleiteten musikalisch. Schülerinnen und Schüler lasen die mehr als 100 Namen der Menschen, die dem Völkermord zum Opfer gefallen waren. Jakob Axenrod sprach zum Abschluss ein Gebet.
Der erläuternde Text auf der Tafel lautet:
In der Mombachstraße 17 befand sich von 1915 bis 1942 das Israelitische Altersheim, zeitweise auch ein Kinderhort. Die spätere Kasseler Ehrenbürgerin Sara Nussbaum war ehrenamtlich hier tätig.
Seit 1933 verfolgte der NS-Staat seine jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner sowie das Heimpersonal. Bertha Baer und ihre Schwester Hedwig Baer entzogen sich bereits 1940 durch Freitod der weiteren Verfolgung. Eine Reihe der übrigen Bewohnerinnen und Bewohner fielen den Deportationen am 9. Dezember 1941 und am 1. Juni 1942 nach Riga und Majdanek bzw. Sobibor zum Opfer. Am 7. September 1942 wurden schließlich alle noch im Haus lebenden mehr als 70 Menschen in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Diese Deportationen überlebten nur sechs Menschen. Auch Sara Nussbaum überstand die Haft in Theresienstadt.
Die 75-jährige Margarete Hurwitz war der drohenden Deportation Ende August 1942 durch Freitod zuvorgekommen. Alle anderen wurden in Theresienstadt, Riga, Sobibor, Treblinka, Auschwitz, Minsk, Stutthof, Kowno (Kaunas) oder der Tötungsanstalt Brandenburg ermordet.
Stolpersteine in Kassel e. V. - 2023
… feierten wir am 6. Juli 2023 mit der Verleihung der Preise an Teilnehmerinnen und Teilnehmer des von uns ausgeschriebenen Wettbewerbs. Wir hatten alle Lernenden (Schüler, Auszubildende und Studierende) eingeladen, sich anlässlich des 10-jährigen Bestehens unseres Vereins „Stolpersteine in Kassel e.V.“ mit Gunter Demnigs KunstDenkmal und den Schicksalen derjenigen, für die Stolpersteine in Kassel verlegt wurden und werden, auseinanderzusetzen; „wünschenswert sind Recherchen zu verfolgten Menschen, deren Schicksal durch einen Stolperstein gewürdigt werden soll“, hieß es in unserem Ausschreibungstext. Themenwahl und Gestaltung hatten wir in diesem Rahmen der Kreativität der Lernenden überlassen.
Der große Saal der VHS war zur Verleihungsfeier dicht besetzt, die Spannung, wer wohl welchen Preis davontragen würde, war insbesondere den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst anzumerken. Bene Schuba begleitete nicht zum ersten Mal eine Veranstaltung unseres Vereins musikalisch (Foto unten).
Unser Vorsitzender Norbert Sprafke (links) ordnete in seiner einführenden „Jubiläumsrede“ die Besonderheiten unserer Arbeit der Erinnerung an die Opfer des Faschismus in den Zusammenhang der lange Zeit ungenügenden Aufarbeitung der Vergangenheit ein.
Die Kulturdezernentin der Stadt, Dr. Susanne Völker (2. von links), würdigte unser Engagement vor allem auch im Hinblick auf die immerwährende Aufgabe der Bekämpfung des Antisemitismus.
Die Leiterin des Staatlichen Schulamtes, Annette Knieling (3. von links), hob besonders die Bedeutung unseres Wettbewerbs für die pädagogische Arbeit in den Schulen hervor.
Jochen Boczkowski (rechts), einer der Initiatoren der Vereinsgründung, langjähriger Vorsitzender und nun Ehrenvorsitzender von Stolpersteine in Kassel e. V., eröffnete als Zeitzeuge in seiner lebhaften und bewegenden Rede Einblicke in seine Biografie und Aspekte der Geschichte seiner Familie. Deren Angehörige waren sowohl aus rassistischen wie auch politischen Gründen verfolgt worden: für ihn eine Verpflichtung, die die Überlebenden im KZ-Buchenwald so formuliert hatten:
„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“
Der Jury lagen ganz unterschiedliche Beiträge vor: unter anderem Podcasts, Videos, Collagen, Gedichte, Installationen/Plakate, Essays und Anleitungen zur Stationenarbeit. Die Verkündung, welches Urteil sie getroffen hatte, war dann der Höhepunkt der Veranstaltung. Frank-Matthias Mann bedankte sich bei den Teilnehmenden, die mit zahlreichen dritten und zweiten Preisen und Urkunden ausgezeichnet wurden.
„Ihr habt die Menschen hinter den Stolpersteine sichtbar gemacht, für die Stolpersteine in den Bürgersteigen vor deren letzten freiwillig gewählten Wohnungen liegen. Ihr habt ihre Lebens- und Leidenswege nachgelesen und die Verfolgten und Ermordeten auf diese Weise dem Vergessen entrissen. Ihr habt ihrer gedacht um ihret Willen und um unser aller Willen. Vergangenes holt Ihr damit vom Gestern ins Heute. Jeder Beitrag von Euch vermittelt den Appell, dass der Mensch im Zentrum steht – und nicht der Stein. Sein Symbol ist durch Eure Beiträge zu einem Aufruf geworden: Denk' mal! - auch wenn es aneckt. Nehmt Rassismus und Menschenverachtung persönlich! Mit Euren Beiträgen habt Ihr Euer Interesse für die Geschichte bekundet, die nicht vergessen werden darf. Exemplarisch lernen wir an den einzelnen Schicksalen darauf zu achten, was Menschen Menschen antun. Empfindsam hinzuschauen, wie vermeintliche Mehrheiten mit vermeintlichen Minderheiten umgehen. Wir achten darauf, was Menschen Menschen antun. Eure Beiträge sprechen sich für die freiheitliche Demokratie aus und gegen jegliche Diskriminierung, Antisemitismus, Rassismus – für die unveräußerlichen Menschenrechte!“
Über die Auslobung hinausgehend verlieh die Jury schließlich zwei erste Preise: und zwar an Lernende der Georg-Chistoph-Lichtenberg-Schule für eine digital unterstützte Stationenarbeit und an eine Projektgruppe von Jugendlichen der Zeugen Jehovas. Diese hatten sich mit großem Engagement Wilhelmine Pötters Schicksal angenommen, die als Zeugin Jehovas im Konzentrationslager ermordet worden war. Daraus erwuchsen eine Installation an der Bushaltestelle Wilhelmine-Pötter-Straße in Sandershausen sowie ein hochprofessioneller Film über Wilhelmine Pötters Leben, der bereits im Offenen Kanal ausgestrahlt worden war. Die Vorführung des Films schloss die eindrucksvolle Veranstaltung ab.
Den Film „Nur Gott gehorsam 2.0“ finden Sie in der Mediathek Hessen.
Bei herrlichem Sonnenschein und Hitze war es für so manchen der Mitwirkenden eine anstrengende, aber lohnende Aufgabe, an acht Orten in vier Stadtteilen insgesamt 21 neue Stolpersteine in würdigem Rahmen zu verlegen und einzuweihen. Die HNA hatte einige Tage zuvor ausführlich mit der Schilderung von zwei Einzelschicksalen auf die Verlegungen vorbereitet.
In der Mittelgasse 43 (früher 53) erinnern nun 9 Steine an Angehörige der Familie Adler. Shery Stern (rechts) war zu dieser und der nächsten Verlegung aus Baltimore (USA) gekommen. Sie und der internationale Frauenclub hatten Steine finanziert.
Die beiden neuen Steine in der Philippistraße 8 sind dem Ehepaar Selma und Salomon Oppenheim gewidmet. Der Internationale Frauenclub war sehr präsent. Jochen Boczkowski las die Inschriften der Steine.
Margrit Stiefel (Familie Adler), Jochen Boczkowski (Ehepaar Oppenheim, Familie Hattenbach, Friedrich Görlitz) und Wolfgang Matthäus (Rudolf Freidhof, Christian Wittrock, Johanna Schleenstein und Albert Wesemeyer) erläuterten die Biografien und Familiengeschichten.
Vor der Naumburger Straße 17a verlegte Gunter Demnig den Stein für Rudolf Freidhof. Unser Vorsitzender Norbert Sprafke moderierte hier wie auch bei den anderen EInweihungen
In Anwesenheit eines Familienmitglieds konnte der Stolperstein für Christian Wittrock in der Luisenstraße 20 eingeweiht werden.
Vor der Annastraße 11 liegen nun fünf Steine für die jüdische Familie Hattenbach. Jakob Axenrod, Kantor der Jüdischen Gemeinde, sprach hier - wie auch bei anderen Verlegungen - ein Gebet.
Sie begleiteten die Verlegungen mit eindrucksvollen musikalischen Beiträgen. Philipp Hofmann und Hans Roth, Stefan Hülsermann, Veronika Blum und Elena Padva.
Ursel Kühn (linkes Foto), die Tochter Johanna Schleensteins, war dabei, als der Stolperstein für ihre Mutter in der Murhardstraße eingeweiht wurde.
Über das Schicksal von Albert Wesemeyer sprach neben Wolfgang Matthäus auch Ernst Klein (rechts) vom Verein "Gegen Vergessen - für Demokratie" vor der Landaustraße 3, wo nun ein Stein liegt.
Am Ende des Tages konnten wir den Stolperstein für Friedrich Görlitz in der Frankfurter Straße 101 einweihen.
Die Deportation nach Majdanek und Sobibor am 1. Juni 1942 überlebte nur ein Mensch. Im Gedenken an dieses Ereignis an seinem Jahrestag wurde der Weg, den die Deportierten vom Sammellager an der Schillerstraße zum Hauptbahnhof zurücklegen mussten, nun bis dorthin markiert: ein gemeinsames Projekt von Arnold-Bode-Schule und Stolpersteine in Kassel e. V.
Das geschah im Rahmen einer Veranstaltung auf dem Schulgelände unter Anteilnahme zahlreicher Schülerinnen und Schüler, die dann auch der „Spur der Deportierten“ bis zum Bahnhof folgten. Zuvor hatten u. a. Christina Hein (HNA) mit einer Lesung aus ihrem Buch „Nie vergessen“ und die Enthüllung neuer, von Schülerinnen und Schülern gestalteter Reliefs am Schulgebäude das Gedenken begleitet.
Zusammen mit dem Arbeitskreis Gedenken und Erinnern der Arbeitsgemeinschaft Wehlheiden veranstalteten wir am 31. März 2023, dem 90. Todestag von Max Plaut, der das erste Mordopfer der Nazis in Kassel war, eine Gedenkveranstaltung an dessen Stolperstein vor der Wilhelmhöher Allee 55, seinem letzten Wohnsitz. Hier war er eine Woche nach den schweren Misshandlungen, die ihm von der SA zugefügt worden waren, auch gestorben. Unter den Teilnehmern waren u. a. Mitglieder des Ortsbeirates Wehlheiden wie auch der zukünftige Oberbürgermeister Sven Schoeller, von dem wir uns eine intensive Fortsetzung der Förderung unserer Arbeit durch die Stadt erhoffen.
... nach Riga veranstalteten wir gemeinsam mit der VVN einen Gedenkgang von der Arnold-Bode-Schule zum "Gedächtnis der Gleise" im Kulturbahnhof. Auf dem Schulgelände sprach Frank-Matthias Mann zur Deportation nach Riga und rückte dabei insbesondere auch die Opferschicksale in den Mittelpunkt. Im Bahnhof sprach Ulrich Schneider, Bene Schuba und Birgit Goldbourn umrahmten das musikalisch.
... dem 7. September 2022 verlegten wir drei weitere Stolpersteine und starteten gemeinsam mit der Arnold-Bode-Schule in einer öffentlichen Veranstaltung das Projekt einer "Spur der Deportierten", die den Weg der 1941 nach Riga, 1942 nach Majdanek bzw. Sobibor und im gleichen Jahr nach Theresienstadt verschleppten jüdischen Menschen vom Sammellager in der Schillerstraße (heute Arnold-Bode-Schule) zum Kasseler Hauptbahnhof nachzeichnen soll.
Über die Gedenkveranstaltung und die Aktion schreibt Christina Hein in der HNA vom 8. September 2022:
In seiner Schlichtheit extrem bewegend und intensiv trug der Musiker Bene Schuba auf dem Schulhof der Arnold-Bode-Schule sein für die gestrige Gedenkaktion komponiertes Stück für Schlagzeug vor: 752 rhythmisierte Trommelschläge in unterschiedlicher Lautstärke. Jeder Schlag steht für einen jüdischen Menschen, der vor 80 Jahren von Kassel aus in das KZ Theresienstadt und damit in den Tod deportiert wurde. Für den Jahrestag hat sich der Verein Stolpersteine in Kassel mit der Schulgemeinde der Bode-Schule eine besondere Aktion ausgedacht, die gestern ihren Anfang nahm und über Jahre und weitere Schülergenerationen hinweg fortgesetzt und gepflegt werden soll: Vom Schulhof ausgehend wird eine blaue Farbspur auf den Straßenbelag bis zum Hauptbahnhof aufgetragen. Sie beschreibt den Weg, den die 752 Juden aus Kassel auf ihrer Deportation nach Theresienstadt gegangen sind. Es waren ihre letzten Schritte, ihre letzten Blicke, die sie auf ihre Heimatstadt Kassel warfen. Bis jetzt ist diese Spur, die später noch von den mit Schablonen aufgetragenen Namen der insgesamt 2500 aus Kassel Deportierten begleitet sein wird, erst 185 Meter lang und endet noch auf der Schillerstraße. Es ist eine Gedenkaktion „in progress“. „Wir wollen das Gedenken aktiv wachhalten“, sagte der stellvertretende Schulleiter Matthias Enkemeier vor Hunderten von Schülerinnen, Schülern und Gästen. Die Fachoberschule für Gestaltung am Standort der ehemaligen Bürgerschulen in der Schillerstraße nimmt ihr dunkles historisches Erbe aktiv an. Die nicht mehr existierende Turnhalle auf dem Schulgelände hatte der NS-Administration als Sammellager für nordhessische Juden gedient. Nach einer dort verbrachten Nacht ging es zum Bahnhof und zur Deportation in die Konzentrationslager. „Es ist unvorstellbar, aber es ist passiert“, sagte Norbert Sprafke, der Vorsitzende des Stolperstein-Vereins in seiner Ansprache zum Projekt „Stolperspuren“. Vorgesehen ist, dass Stolperstein-Initiator Gunter Demnig an den Straßenkreuzungen der blauen Spur sogenannte Stolperschwellen beiträgt.
Luca Buchhorn hat für den Offenen Kanal Kassel über die Veranstaltungen an diesem Tag den Film "Die Stolperspur" gedreht. Zu dem Film (ca. 7 Minuten) gelangen Sie hier.
Oben: Bene Schuba trägt das von ihm eigens komponierte Werk vor. - Die Lehrer Steffen Wichert, Tobias Platz, Jens Kroll und Thomas Hofer (von links) tragen mit einer Schablone der ersten Schnriftzug auf die blaue Spur auf..
Unten: Der stellv. Schulleiter Matthias Enkemeier, der Vorsitzende von Stolpersteine in Kassel Norbert Sprafke und der Kantor der jüdischen Gemeinde Jakob Axenrod, der ein Gebet sprach.
Im Süsterfeldweg, im Kunigundishof in Bettenhausen und in der Gartenstraße im Wesertor verlegten wir drei weitere Steine. Über die Verlegung im Süsterfeldweg berichtete der HR in der Hessenschau vom gleichen Tag.
Der Stein im Süsterfeldweg (oben links) erinnert an den kommunistischen Widerstandskämpfer Emil Freitag, der nach mehrjähriger Haft im KZ Mauthausen ermordet wurde. Jochen Boczkowski erläuterte seine Biografie, Philipp Hoffmann umrahmte die Verlegung musikalisch.
Der Stein im Kunigundishof (unten) ist dem Zeugen Jehovas Wilhelm Weltner gewidmet, der seine konsequente Verweigerung von Ansinnen der NS-Diktatur mit mehrjähriger Haft bezahlen musste. Alexander Mund stellte die Biografie seines Großonkels vor, Angelika Kolwicz begleitete mit der Querflöte.
Die Biografie des kommunistischen Widerstandskämpfers Walter Buda, für den wir in der Gartenstraße (oben rechts) einen Stein verlegten, erläuterte wiederum Jochen Boczkowski, musikalisch begleitet von Philipp Hoffmann. Walter Buda wurde mehrere Jahre inhaftiert und im KZ Sachsenhausen ermordet.
Fotos unten:
Angelika Kolowicz, Philipp Hoffmann, Jochen Boczkowski, Alexander Mund
Diese Stolpersteinverlegungen sollten an den 80. Jahrestag des Deportation aus Kassel nach Lublin und Sobibor im Jahr 1942 erinnern, die von den etwa 600 deportierten Menschen ein einziger überleben sollte.
Vom Kirchweg 80 im Vorderen Westen ging es über die Breitscheidstraße 15 und die Tannenstraße 15 zur Philippistraße 22 in Rothenditmold, von dort zur Wolfhager Straße 55 im Schillerviertel und über die Kurt-Schumacher-Straße 9 in der Nähe des Stern am Ende in die Müllergasse 6 in der (ehemaligen) Altstadt.
Im Kirchweg 80 verlegten wir Steine für die Familie Goldschmidt, deren Tochter Lisel 1934 nach Schweden ging. Die Eltern folgten 1939, nachdem Lisels Vater David 1938 in Buchenwald inhaftiert worden war.
Der Stein vor der Breitscheistraße 15 erinnert an Dr. Ernst Grünbaum, den die Flucht nach Holland nicht davor bewahrte, schließlich in Auschwitz ermordet zu werden. Der Kantor der jüdischen Gemeinde Jakob Axenrod sprach ein Gebet.
Vor der Tannenstraße 15 würdigt ein Stein Julius Hochgräfe, einen Zeugen Jehovas, der auf Grund seiner verweigernden und widerständigen Haltung aus dem Glauben heraus mehrere Jahre Haft erleiden musste. Monika Fischer sang.
Die fünf Steine an der Philippistraße 22 sind den Ehepaaren Österreicher und Cheim gewidmet, die nach Riga deportiert wurden, und an Henriette Horn, die man in die Judenbaracke in den Zentgrafenstraße zwang, wo sie starb. Während die Österreichers ihre Befreiung erlebten, wurde das Ehepaar Cheim ermordet. Der Ortsvorsteher Hans Roth begleitete musikalisch mit der Geige.
Veronikal Blum sang an der Wolfhager Straße 55 einen Psalm für Thekla Grünbaum, die nach Theresienstadt deportiert und in Treblinka ermordet wurde.
Die Schicksale der in Ravensbrück, Majdanek, Sobibor und Treblinka ermordeten Mitglieder der Familie Speier erläuterte Gudrun Schmidt an der Kurt-Schumacher-Straße 9
Den Journalisten Friedrich Herbordt bestraften die Nationalsozialisten mit 7 Jahren Haft wegen seiner Widerstandstätigkeit für die KPD. Jochen Boczkowski erläuterte seine Biografie, Philipp Hofmann begleitete u. a. mit dem Buchenwaldlied.
Wir nahmen auch in diesem Jahr den Tag der Befreiung Deutschlands zum Anlass, weitere Stolpersteine zu verlegen. Wir ehrten das Ehepaar Fanny und Max Feldstein in der Ruhlstraße 2, das sich der weiteren Verfolgung durch Freitod entzog. In der Friedrich-Engels-Straße 2 verlegten wir Steine für Max Feldsteins Schwester Anna Behrens, die 1942 in Theresienstadt ermordet wurde, sowie deren Tochter Hilde Epstein und ihren Mann Harry mit dem Sohn Rudolf. Der 1930 Geborene lebt heute als Ralph Epstein in Brisbane (Australien) und freute sich aus der Ferne über die Verlegung der Steine für seine Familie. Dem Überlebenden der Deportation nach Riga, dem Pferdehändler Berthold Schiff, ist ein Stein vor der Goethestraße 1 gewidmet. Des Ehepaars Oppenheim, Miteigentümer der Rosshaarspinnerei, wird durch die beiden Steine vor der Herkulesstraße 6 gedacht.Hans Heinz Merkel, für den nun ein Stein vor der Wilhelmshöher Allee 114 liegt, erlebte noch als KZ-Häftling die Befreiung am Ende des Krieges, starb aber bereits wenige Tage später an den Folgen seiner Haft. Und schließlich erinnert nun ein Stein vor der Wilhelmshöher Allee 123 an die Witwe Emma Reimers, die sich wie das Ehepaar Feldstein dem Schlimmsten durch Freitod entzog.
Unser Vorsitzender Norbert Sprafke moderierte, Wolfgang Matthäus erläuterte die Biografien bzw. Familiengeschichten und bettete sie in den historischen Zusammenhang ein. Philipp Hoffmann und Stefan Hülsermann begleiteten die Verlegungen musikalisch. Jakob Axenrodt sprach Gebete, bevor Jochen Boczkowski am Ende den Text der Inschriften vorlas.
Christina Heins Buch ist im September 2020 erschienen. Darin schreiben wir in unserem Grußwort:
"Ein gemeinsames Anliegen
Unsere 2012 begonnene Arbeit der Verlegung von Stolpersteinen in Kassel zur Erinnerung an die zahlreichen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor Ort hat das große Interesse und eine hohe Wertschätzung einer breiten Öffentlichkeit erfahren. Das ist nicht zuletzt auch der Berichterstattung in der HNA und insbesondere ihrer Redakteurin Christina Hein zu verdanken. Seit Jahren hat sie immer wieder mit großer Sympathie für unser Projekt und vor allem auch Empathie für die Opfer und mitunter vor dem Hintergrund persönlicher Kontakte zu einigen ihrer Familien Ergebnisse unserer Recherchen journalistisch aufgearbeitet und so einem breiten Publikum die Schicksale Einzelner oder von Familien nahe gebracht, dem Vergessen entrissen. Dass es nun gelungen ist, eine Reihe der so entstandenen Porträts in aktualisierter Form sowie einige weitere, bisher nicht veröffentlichte, in einem Sammelband zu publizieren, freut uns sehr.
Christina Heins Porträts vermitteln einen bedrückenden Einblick in ein Unrechtsregime und davon, dass und wie ihm letztlich jeder zum Opfer fallen konnte. Gleichzeitig machen sie deutlich, dass die Kategorisierung in Opfergruppen nicht ausreicht, sondern jedes Schicksal einer eigenen Würdigung bedarf. Wie die Stolpersteine sind die Porträts ausdrückliche Würdigungen von Menschen, derer im kollektiven Gedächtnis der Stadt bislang nicht oder kaum gedacht wurde – sieht man von einigen prominenten wie zum Beispiel Sara Nussbaum oder Felix Blumenfeld ab.
Für diese publizistische Begleitung unseres Anliegens sind wir der Autorin und dem Verlag dankbar. Dem Buch als wichtigem Beitrag zur Stadtgeschichtsschreibung wünschen wir die breite Leserschaft, die es verdient."
Hein, Christina
Nie vergessen: Stolpersteine in Kassel - Porträts von Menschen
euregioverlag 2020
120 Seiten mit vielen Abbildungen
ISBN 9783933617859
Anlässlich der Vorstellung des Buches hielt Eva Schulz-Jander, Ehrenbürgerin der Stadt Kassel, eine bemerkenswerte Rede, in der sie sich als ursprüngliche Skeptikerin gegenüber dem Projekt Stolpersteine mit der Einzigartigkeit des dezentralen Denkmals befasste.
Die Rede finden Sie hier. Wir danken der Autorin für die freundliche Genehmigung, sie auf dieser Webseite zu veröffentlichen.
Mit Stolpersteinen den Menschen ihren Namen wiedergeben, die Opfer in der Nazizeit wurden - das ist das europaweite Anliegen des Künstlers Gunter Demnig.
Die Opfer waren Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und Euthanasieopfer. Es gab Millionen solcher Opfer, die nach dem Willen der Nationalsozialisten namenlos, heimatlos und geschichtslos bleiben sollten.
Den Namen wiedergeben: Auf Messingplatten, die auf 10 x 10 cm großen Betonquadern verankert sind, werden Name, Geburts- und Todesjahr mit Schicksalsangaben eingelassen. Jedes Opfer erhält einen persönlichen Stein. So werden Identität und Schicksal lesbar. Durch den Gedenkstein vor den Häusern der Opfer wird die Erinnerung an sie und ihre Geschichte wieder in unsere alltäglichen Wege geholt.
Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig hat für sie diese Kunstform entwickelt. In ca. tausend deutschen und europäischen Gemeinden und Städten in 29 Ländern hat er bisher über 90.000 Stolpersteine verlegt, unterstützt von örtlichen Initiativen. „Jeder persönliche Stein symbolisiert auch die Gesamtheit der Opfer, denn die eigentlich nötigen Steine kann man nicht alle verlegen“, sagt er. Darüber hinaus sind ca. 50 Stolperschwellen verlegt, eine davon in Argentinien (Buenos Aires).