Der erste Stein am Brasselsberg – und „erste Stolpersteine für Angenröder Opfer“

Fünf neue Steine am 22. Oktober 2019

Verlegung der Steine vor der Mönchebergstraße 21 mit zahlreichen Schülerinnen und Schülern der Carl-Schomburg-Schule

Mit den Steinen in der Mönchebergstraße 21 für Hermann Katz und die Schwestern Fanny Katz und Rickchen Schaumberger, die beide aus dem heutigen Alsfelder Stadtteil Angenrod stammten, wurden „erste Stolpersteine für Angenröder Opfer“ der Shoah aus dieser ländlichen Gemeinde verlegt, wie die Oberhessische Zeitung in Alsfeld bereits am 26. September in einem ausführlichen Bericht würdigte. Prof. Dr. Ingfried Stahl aus Angenrod sprach uns bei der Verlegung dafür ausdrücklich seine Anerkennung aus und bedauerte, dass es in seinem Heimatort selbst bislang noch keinen Stolperstein gebe – trotz einer hohen Zahl von Opfern. Schülerinnen und Schüler der Carl-Schomburg-Schule gestalteten mit sehr einfühlsamen eigenen Beiträgen die Verlegung der drei Steine im Stadtteil Wesertor. Die Oberhessische Zeitung berichtete darüber am 26. Oktober auf einer halben Seite.

Zuvor war in der Holländischen Straße 103 der Stolperstein für Valentin Gabel verlegt worden, der als Kommunist seinen Widerstand gegen den Faschismus mit einer mehr als zehnjährigen Haft und der Überstellung in eine SS-Sonderheit bezahlte, die er nicht überleben sollte. Die Anregung war hier aus der Familie gekommen und mehrere Familienmitglieder nahmen bewegten Anteil an der Verlegung des Steines, die – wie auch die beiden anderen Verlegungen – von Philipp Hoffmann musikalisch begleitet wurde.

Den Abschluss bildete die erstmalige Verlegung eines Stolpersteins am Brasselsberg, und zwar in der Hirzsteinstraße 15 für Max Oestreicher. Wie bei den anderen Steinen kam auch hier die Anregung von außerhalb. Tom Nowotny, der sie gegeben hatte, war mit Mutter, Söhnen und Enkeltochter angereist, um an der Zeremonie teilzunehmen. Wie auch Jochen Boczkowski zuvor unterstrich er, wie wichtig gerade angesichts der aktuellen Situation mit rechten Terrorakten, zunehmendem Rassismus und Antisemitismus die historische Aufklärung, das Erinnern und Gedenken seien.

Ein Film über Stolpersteinverlegungen am 19. September 2019 und den Besuch der Familie Kirschbaum aus Tel Aviv in Kassel

Judith Kirschbaums Sohn Guy drehte während des Besuchs seiner Familie in Kassel einen Film, der unter anderem die Stolpersteinverlegungen für Anna, Johanna, Arthur und Levi Katz ausführlich dokumentiert.

Sie finden dieses Video auf youtube.

Sechs neue Stolpersteine im Vorderen Westen

„Flucht in den Tod“ heißt es auf drei von sechs neuen Stolpersteinen, die am 19. September im Vorderen Westen zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus verlegt wurden. Levi Katz, der in der Querallee 36 wohnte, ertränkte sich bereits im Mai 1933 im Asch im Bergpark, nachdem die Nationalsozialisten vor allem auch in Kassel den Terror gegen politische Gegner und Juden entfacht hatten. Seine Schwägerin, die Witwe Anna Katz, erhängte sich im April 1937 in ihrer Wohnung in der Prinzenstraße 10 (Pestalozzistraße). Die verwitwete Eigentümerin des Hauses Kaiserstraße 73 (Goethestraße) Bertha Katz kam dem Schicksal von mehr als 20 ihrer Mieter zuvor, die von Kassel aus in den Tod deportiert werden sollten – darunter auch Levi Katz‘ Witwe Johanna und sein Sohn Arthur. Sie starb im April 1941 an einer Überdosis Veronal-Tabletten. „Motiv: Lebensüberdruss“ heißt es in ihrer Sterbeurkunde.

Unter den zahlreichen Menschen, die diesen Verlegungen beiwohnten, waren auch die in Tel Aviv lebende Enkelin von Anna Katz, Judith Kirschbaum, ihr Ehemann Zuri und ihre drei Kinder Iris, Guy und Liron, die eigens zu diesem Anlass nach Kassel gekommen waren.

Familie Kirschbaum aus Tel Avi vor den Stolpersteinen für Johanna, Levi und Arthur Katz

Judith Kirschbaum bei der Einweihung des Solpersteins für ihre Großmutter Anna Katz.Sie bedankt sich und gibt Einblicke in das Leben der Familie in Palästina und Israel.

Links: Einweihung des Stolpersteines für Bertha Katz in der Goethestraße 73

Rechts: Martin Speicher bei der Einweihung des Stolpersteins für Leon Boczkowski.

Eindruchsvoll begleitet wurden drei der vier Verlegungen von Martin Speicher und seiner Klarinette. Auch für die des Steins für Leon Boczkowski. Als Mitglied der Kommunistischen Partei 1933 verhaftet, wurde Leon Boczkowki 1934 zu einer Haftstrafe verurteilt, nach deren Verbüßung sich die willkürliche „Schutzhaft“  in mehreren Konzentrationslagern anschloss: in Lichtenburg, Buchenwald, Dachau und Flossenbürg. Am 20. April 1945 von amerikanischen Soldaten befreit, sollte er - traumatisiert -  von dem Erlittenen nie wirklich befreit werden.

 

Weitere Fotos von den Verlegungen finden Sie hier.

Eine besondere Verlegung von Steinen im Juli 2019

Ein "Top" der Woche in Kassel

„Tops und Flops"

Stolpersteine:

Alles war bestens vorbereitet vom Stolperstein-Verein: Zur jüngsten Verlegung der Gedenksteine für die Opfer des Nationalsozialismus am Dienstag hatte sich eine große Zahl an Angehörigen aus Israel, Frankreich, Australien angesagt. Musiker standen bereit, um für einen würdevollen Rahmen zu sorgen. Doch dann kam morgens die Hiobsbotschaft: Künstler Gunter Demnig, der die meisten Steine persönlich verlegt, hatte mit seinem Transporter, mit dem er 50 Steine bringen wollte, eine Panne. Was tun? Schnell wurde arrangiert, dass Demnigs Frau Katja wenigstens die Steine, die verlegt werden sollten, nach Kassel bringt. Dann wurde das Rathaus um Hilfegebeten. Das reagierte prompt und schickte gleich Profis vom Bauhof, die die Arbeiten übernahmen. „Die Stadt hat die Verlegung unserer Stolpersteine ermöglicht“, schwärmt Wolfgang Matthäus vom Vereinsvorstand. Sie sei „situativ und flexibel“ auf das Problem eingegangen: „Das war großartig.“ Die Anwesenden bedachten die Arbeit mehrfach mit Applaus.“

Dieser Text von Christina Hein war am 13. Juli 2019 unter der Überschrift „Tops und Flops“ in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) zu lesen.

Katja Demnig bringt die Steine und zu aller Freude kommen auch die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs, um Gunter Demnigs Arbeit an diesem Tag zu übernehmen.

Verlegt wurden an diesem Tag Steine für Angehörige der Familien Rosenberg (u. a. auch Shmulik Rosenberg, der mit weiteren Familienmitgliedern nach Kassel gekommen war), Verständig (auch hier waren Angehörige dabei), Kander, Heilbrunn (unter Teilnahme von Nachfahren) sowie Speier. Eine Premiere war es, dass die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs bei dem Einbau der Steine für die Familie Heilbrunn Sand aus Israel unter den Kasseler Sand mischten. Die Zeremonien wurden musikalisch und vom Kantor der jüdischen Gemeinde Jakob Axenrod mit Gebeten begleitet.

Zahlreiche Fotos von allen Verlegungen an diesem Tag finden Sie hier.

Professionelle Arbeit - in einem Falle auch mit Sand aus Israel.

Der Zeitplan am 9. Juli konnte trotz der einzigartigen Hilfe durch die Stadt und allerdings nicht eingehalten werden, so dass wir die drei weiteren geplanten Verlegungen erst eine Woche später, am 16. Juli, durchführten: für die Familien Blau, Zalcman und Plaut. Weitere Fotos von diesen Verlegungen finden Sie hier.

Philipp Hoffmann, Jochen Boczkowski und Margrit Stiefel bei der Verlegung für die Familie Blau.

Gudrun Schmidt erläutert die Geschichte und das Schicksal der Familie Zalcman.

Jabob Axenrod spricht ein Gebet für die Angehörigen der Famlie Plaut.

Jürgen Strube erläutert deren Schicksal.

Von der Stolpersteinverlegung in der Großen Rosenstraße gestaltete unser Vereinsmitglied Klaus Brocke eine Fotocollage. Sie zeigt u. a. die Große Rosenstraße, in der sich das Zentrum der jüdischen Gemeinde befand, am 8. November 1938 mit den Verwüstungen durch den Pogrom am Abend vorher.

Fotocollage von Klaus Brocke

 

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