Der Familienname Katz ist bei jüdischen Familien sehr häufig, vielleicht der häufigste. Allein in Kassel waren laut Gedenkbuch über 100 Träger des Namens registriert. Noch viel deutlicher wird es, wenn im Gedenkbuch des Bundesarchivs über 1.400 mal Katz eingetragen ist für Menschen, die aus rassistischen Gründen ermordet worden sind.
Berta Bacharach, verheiratete Katz, stammt aus Abterode, heute Ortsteil der Gemeinde Meißner. Sie ist am 13. März 1887 geboren. Ihre Eltern waren Joseph Bachrach (*1858) und Lisette Appel (*1860). Vater Bachrach war In 2. Ehe mit Minna Emanuel verheiratet. Berta stammt aus erster Ehe und war die Älteste von 6 Kindern.
Josef Katz ist am 2. Oktober 1873 in Obervorschütz, Ortsteil von Gudensberg, geboren. In der Geburtsurkunde steht „Jeisel, genannt Josef“. Seine Eltern waren der Handelsmann Sandel Katz und Reichel Löwenstein.
Berta und Josef heiraten 1911 auf dem Standesamt des Dorfes Abterode. Als Trauzeugen fungieren Leiser Heilbrunn und Aron Katzenstein aus Abterode. Die Trauung wurde durch den Standesbeamten Ernst Koch beurkundet. Um 1900 gab es in Abterode eine jüdische Gemeinde mit Synagoge, Schule und etwa 180 Gemeindemitgliedern; das entsprach einem Bevölkerungsanteil von 15 %. Ihre vorhergehende Verlobung machen die Brautleute mit einer Anzeige am 25.6.1911 in der Gudensberger Zeitung publik.
Nach der Heirat leben und arbeiten sie in Gudensberg. Das Ehepaar bleibt kinderlos.
Schon 1910 erwirbt Katz das Haus Kasseler Straße 10 für 16.500 Mark. Dieser Grunderwerb war sogar dem Gudensberger Anzeiger vom 14.4.1910 eine Notiz wert. Es wird vermutet, dass Josef Katz als Viehhändler tätig war. Berta Katz war im Israelitischen Frauenverein aktiv. Über ihre Wiederwahl in den Vorstand dieses Vereins berichtet die Jüdische Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck vom 24. Februar 1928.
Als Viehhändler ist Katz schon sehr früh Beschränkungen in der Berufsausübung unterzogen worden. Wahrscheinlich hat sein Viehhandel bereits ab 1933 erhebliche Einbußen erlitten. Die „Verordnung über die Zulassung zum Handel mit Vieh“ von 1937 hat dann die Ausübung seines Berufes ganz unterbunden. 1938 wurden Juden ganz aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen.
Im Mai 1938 sind Berta und Josef Katz von Gudensberg nach Kassel gezogen. Das Klima, in dem dieser Wechsel stattfand, wird durch den folgenden Artikel deutlich:
"Kurhessische Landeszeitung" vom 5. Mai 1938
"GUDENSBERG IST JUDENFREI.
Gudensberg. Ein fünfjähriger, zäher Kampf gegen das Judentum in der Stadt Gudensberg ist nun endlich von Erfolg gekrönt.
Wer früher durch das alte Chattenstädtchen wanderte, begegnete auf Schritt und Tritt dem artfremden Element, das sich hier ganz besonders wohl fühlte und breit gemacht hatte. Die Judengemeinde zählte bei der Machtübernahme 124 Mitglieder, sie stellte einen eigenen Vertreter im Stadtparlament, der sehr oft das Zünglein an der Waage war und die Abstimmung maßgeblich beeinflusste.
In der Hand eines Juden lag ferner das Amt eines Schiedsmannes. Deutsche Volksgenossen mussten sich vom Talmudjuden richten lassen.
In den bürgerlichen Vereinen waren die Juden als Vorstands- und Ehrenratsmitglieder tonangebend. Überall machten sie ihren Einfluss geltend, nur nicht bei der Arbeit. Wie eine Landplage überschwemmten sie als Güterschlächter, Hausierer und Viehhändler die umliegenden Dörfer des Chattengaues, um den deutschen Volksgenossen den Ertrag ihrer Arbeit abzugaunern. Wie viele Tränen mögen geflossen sein, wenn die Elias, Hofmann, Katz, Plaut und Mansbach deutsche Bauern um Haus und Hof gebracht hatten. Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei. Heute haben wir die Gewissheit, daß sich in den Mauern der Stadt kein Jude mehr aufhält und auch in Zukunft nie mehr ein Jude sesshaft werden wird. Die Judenplage ist wie ein Alpdruck von der Bevölkerung Gudensbergs gewichen. Die gesamte Einwohnerschaft dankt der Ortsgruppe der NSDAP, insbesondere dem Ortsgruppenleiter, für den unermüdlichen Kampf und die Befreiung des schönen Chattenstädtchens Gudensberg von den jüdischen Schmarotzern."
Berta und Josef Katz haben bis Mai 1941 im Haus Gießbergstraße 1, 2. Stock gewohnt. Zuletzt mussten sie sich die Wohnung mit Max Breslauer, Selig Nagel und der Witwe Rothschild teilen. In den Meldeakten wird Josef Katz mit der Berufsbezeichnung Kaufmann geführt. Beim Novemberpogrom 1938 bleibt Josef Katz unbehelligt.
Im Januar 1941 findet sich für Josef in den Kasseler Meldeakten die Eintragung ‚unbekannt verzogen‘. Drei Monate später am 29. April 1941 wird er für 2 Monate im Arbeitserziehungslager Breitenau inhaftiert. Von dort geht er auf Anweisung der Gestapo Kassel am 24.6. gemäß Nazi-Jargon „auf Transport“ in das Konzentrationslager Dachau. Sein letzter Aufenthaltsort vom 12. bis 17. Juli 1941 ist das Lager Buchenwald. In den Personalakten ist er unter Block 29, Nr. 8633 registriert, Haftgrund: Schutzhaft seit 15.4.1941 durch Stapo Kassel wegen Hamstern. Häftlingsart: Politischer Jude. Wer sich zu dieser Zeit Lebensmittel durch Tausch oder ohne Lebensmittelkarten beschaffte, verstieß gegen die Kriegswirtschaftsverordnung und geriet ins Visier der Behörden, Juden kamen in Haft. Laut der Todesmeldung des KZ Buchenwald im ITS-Arolsen starb Josef Katz am bereits wenige Tage nach seiner Einlieferung am 17.7. an „Versagen des Herzes bei Phlegmone (eitrige Infektionskrankheit) und Gangräne rechter Fuß“ (Wundbrand).
Nach der Inhaftierung ihres Mannes muss Berta Katz die Wohnung in der Gießbergstraße aufgeben und findet für ein paar Wochen Quartier im Kirchweg 72. In diesem Haus haben mehr als 20 Juden vor ihrer Deportation leben müssen. Im August 1941 folgt die Einweisung in das Judenhaus Moltkestraße 10. Kurz zuvor wird sie erfahren haben, dass ihr Mann Josef in Buchenwald gestorben ist. Sie verlässt Kassel. Am 20. September 1941 wird ihre Leiche am Ufer der Außenalster in Hamburg angeschwemmt. Genau an dieser Stelle liegt ein Stolperstein in Eimsbüttel, Harvestehuder Weg 1 A:
IN KASSEL WOHNTE
BERTA KATZ
GEB. BACHRACH
JG. 1887
HIER
ERTRUNKEN /
AUFGEFUNDEN
20.9.1941
Ihr Vater Joseph Bachrach war bis 1921 fast 40 Jahre Lehrer an der jüdischen Schule in Abterode und Vorsänger der Gemeinde. Hochgeehrt wird er in den Ruhestand verabschiedet. Die Jüdische Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck schreibt damals: „Er war kein 'Bildungsschuster', der alle Schüler nach seinem Leisten formen wollte und bei dem das 'Versohlen' ein Haupterziehungsmittel war, auch kein Donnerer, der mit der Gewalt seiner Stimme als Schultyrann sich aufspielte; er war im Sinne der Heiligen Schrift Lehrer, das heißt Führer.“ Er geht nach Kassel und leitet bis 1933 das jüdische Altersheim in der Mombachstraße 17. Anschließend zieht er nach Hamburg und wohnt um 1940 in Eimsbüttel in der Sedanstraße 11. Joseph Bachrach wird am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert und am 8.10.1942 ermordet. Ob Berta Katz und ihr Vater Joseph 1941 Verbindung hatten, bleibt ungeklärt. Im Staatsarchiv Wiesbaden ist keine Entschädigungsakte für die beiden registriert. Eine Schwester Bertas, die 1890 geborene Auguste Bachrach, verheiratete Lewinski, wird von Berlin aus deportiert und im September 1942 in Riga ermordet.
Jochen Boczkowski, Mai 2018
Verlegung am 14. Juni 2018
Initiatorin der Stolpersteine für Josef und Berta ist Karin Richert aus Köln
Quellen:
Stadtarchiv Kassel, StadtA KS A 3.32 HB 467
Adressbücher Kassel, Adressbuch Hamburg 1940
https://www.geni.com/people/Bertha-Katz/6000000019311068513
HStAMR Best. 923 Nr. 67, Standesamt Abterode, Heiratsnebenregister 1911
HHStAW Best. 365, 32 - GebUrk Berta Katz HHStAW Bestand 365, 384 – GebUrk Josef Katz
Kleinert und Prinz: Namen und Schicksale der Juden Kassels, Hg. Stadt Kassel, 1986
http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
http://www.alemannia-judaica.de/abterode_synagoge.htm
http://www.stolpersteine-hamburg.de
http: www.alemannia-judaica.de/gudensberg_synagoge.htm
Gedenkstätte Breitenau: Archiv des LWV-Hessen, Bestand 2, Nr.5831 = Akte Josef Katz
Archiv ITS Bad Arolsen: Teilbestand: 1.1.5.3, Dokument: 6249080.1 + 6249075.1
Hans-Peter Klein: 28.5.2018 Auskunft per Mail mit Foto und Zeitungsausschnitten
Karin Richert: 30.5.2018 – Mail mit Hamburger Steininschrift