Dr. Ernst Grünbaum

Breitscheidstraße 15 (früher Auguste-Viktoria-Straße)

Von 1931 bis 1933 hat Ernst Grünbaum in der Auguste-Victoria-Straße 15 im 3. Stock gewohnt. Seine Abmeldung nach Holland, Amsterdam stammt vom 6. Juli 1933. Im Dezember 1942 wird er im Vernichtungslager Auschwitz durch Gas ermordet.

Er ist am 5. April 1900 in Cassel geboren. Seine Eltern waren Ferdinand Grünbaum aus Rotenburg/Fulda und Martha Oettinger aus Mannheim. Die Grünbaums waren schon mehrere Generationen in Rotenburg ansässig. Zusammen mit seiner 5 Jahre ältere Schwester Maria verbringt er Kindheit und Jugendjahre bis 1919 im Haushalt der Eltern in der Spohrstraße 9, später in Karthäuserstraße 19 ¼.

Von 1910 bis 1919 besucht Ernst das Realgymnasium I in der Wilhelmshöher Allee und schließt mit dem Abitur ab. Die Schule ist der Vorgänger der heutigen Albert-Schweitzer-Schule. Er studiert an der Universität Würzburg. In den Jahren 1921/1922 ist er eingeschrieben und wird am 14. März 1922 zum Dr. rer. pol. (Staatswissenschaften) promoviert mit der Arbeit „Die Entwicklung des Steindruckgewerbes in Deutschland seit Kriegsende“. Das Thema liegt in der Familientradition, denn Ernsts Großvater Heinemann Grünbaum (1852 – 1916) war Begründer einer Firma, die sich mit Papierwaren befasste. Seine Dütenfabrik (sic!) fertigte Papiertüten mit Werbeaufdruck. Daraus entwickelte sich eine Druckerei, die auf Bücher, Lithografien, Kunstdrucke und Landkarten ausgerichtet war. Sie hatte ihren Sitz in der Wolfhager Straße 55. Ab 1900 war das Unternehmen auf die nächste Generation übergegangen. Dazu gehörte auch Ernsts Vater Ferdinand.

Nach dem Tod beider Eltern 1929 wurde Ernst Grünbaum durch Erbfolge Mitinhaber der Firma. Ob er in ihr tätig oder nur stiller Teilhaber war, bleibt offen. 1931 erfolgt der Wohnungswechsel von der Karthäuserstraße in die Auguste-Victoria-Straße 15 im Vorderen Westen. Die Häuserzeile war erst zwei Jahre vorher erstbezogen worden und gehörten einer Genossenschaft.

Wenige Monate nach der Machtübertragung an die Faschisten emigriert der ledige Dr. Ernst Grünbaum in die Niederlande. 1938 wird er auf Grund von Nazigesetzen ausgebürgert und in der Folge wird ihm der Doktortitel aberkannt. Die Ausbürgerung betraf Zehntausende, die wegen politischer und rassistischer Verfolgung aus dem Reich emigriert waren. Die Universität Würzburg hat die Depromotion inzwischen als rechtswidrig erklärt.

Im niederländische Gedenkportal ‚joods monument‘ wird an die mehr als 100 000 jüdischen Menschen erinnert, die in den Niederlanden verfolgt und von dort deportiert worden sind. Dort ist dokumentiert, dass Ernst in Groningen, Parkweg 16 A, gewohnt hat. Er sei alleinstehend und ohne familiäre Verbindungen gewesen. Fast 9 Jahre hat er in Holland gelebt. Es gibt keine Informationen darüber, womit er seinen Unterhalt bestritten hat. Im März 1942 ist er im polizeilichen Sammellager Westerbork interniert worden.

 

 

Eine Karte aus der Kartothek des Judenrates Amsterdam enthält seinen Namen, Geburtsdatum und -ort, die Wohnadresse Krammerstraat 22. Dazu der Vermerk „Tr. 12-12-42“. Im Bundesarchiv ist dokumentiert, dass am 12. Dezember 1942 ein Transport mit 757 Menschen nach Auschwitz abgefahren ist. Ankunft 14.12. 1942, Todesdatum 15.12.1942.

Abfahrt eines Zuges von Westerburg nach Auschwitz
Abfahrt eines Zuges von Westerburg nach Auschwitz

Ernsts Schwester, Maria Grünbaum hat im Mai 1919 Otto Eisenberg aus Kassel geheiratet. Das Ehepaar konnte 1936 zusammen mit einer Tochter nach Südafrika emigrieren. Es hat zeitweilig mit Ernst zusammen im Haus Karthäuserstraße gewohnt.

Für Thekla Grünbaum, geb. Blumenfeld – Ernsts Tante und Mitinhaberin der Druckerei Grünbaum wird in der Wolfhager Straße ein Stolperstein gelegt.

 

 

Quellen:  

Kleinert und Prinz:  Namen und Schicksale der Juden Kassels 1933-1945 – HG Stadt Kassel 1986

Bundesarchiv:  Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden

Stadtarchiv Kassel:   Meldeakten,   Adressbücher Kassel

Helmut Thiele: Die jüdischen Einwohner zu Kassel  

Die geraubte Würde – Aberkennung des Doktorgrades – Würzburg 2011

ITS – arolsen archives

The Gruenbaum Family from Rotenburg / Fulda, Compiled by Hans-Peter Klein Melsungen, Oktober 2013

 

Jochen Boczkowski, Mai 2022

 

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