Maximilian Plaut wurde am 1. Juni 1888 in Kassel geboren. Vater von Plaut war der Bankier Leopold Plaut, der, tief gläubig, lange Zeit Gemeindeältester der jüdischen Gemeinde war und sich hier große Verdienste
erworben hatte. Plaut war mit der Schweizerin Elsa Plaut geborene Zivi (geb. am 11. April 1890 in Genf) verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Der erstgeborene Sohn Alex wurde 1917 geboren und verstarb vor einigen Jahren. Die Tochter Anita wurde 1923 geboren und verstarb 2005. Die jüngste Tochter Edith, verheiratete Lazega-Plaut, wurde 1925 geboren und lebt in der Schweiz.
Max Plaut besuchte das Wilhelms-Gymnasium in Kassel. Nach bestandenem Abitur studierte er Rechtswissenschaften in Göttingen, Jena und Genf. Sein Referendarexamen legte er am 18. Juni 1910 ab. Am 11. April 1911 promovierte er über das Thema „Der Übergang des Geschäftes einer offenen Handelsgesellschaft auf eines ihrer Mitglieder“.
Während des Ersten Weltkrieges wurde er als Soldat eingezogen, konnte jedoch trotz des Militärdienstes seine Referendarzeit erfolgreich mit dem Zweiten Staatsexamen am 15. Januar 1916 abschließen. Gegen Ende des Jahres 1918 kehrte er aus dem Militärdienst nach Kassel zurück. Er wurde am 7. Dezember 1918 sowohl beim LG als auch beim AG Kassel zugelassen und am 12. Januar 1927 zum Notar bestellt. Seine Rechtsanwalts- und Notarkanzlei hatte er unter der Adresse Wolfsschlucht 24 a in Kassel.
Plaut liebte die klassische Musik, spielte selbst Geige und beschäftigte sich in seiner Freizeit mit dem Kasseler Musikleben. Seit etwa 1921 bis etwa 1931 schrieb Plaut Musikkritiken für die Kasseler Neusten Nachrichten, die auch überregional beachtet wurden.
Durch seine offene Art machte er sich schnell Feinde, nicht nur in der Musikwelt, sondern auch bei dem NS-Blatt „Hessische Volkswacht“. Diese veröffentlichte immer wieder Hetzartikel gegen ihn,
die mit Erstarken der Nationalsozialisten an Heftigkeit zunahm. So wurde u. a. die Entziehung seines Notariats und die Einleitung von berufsrechtlichen Maßnahmen der Kammer gegen ihn gefordert
und deutliche Drohungen gegen ihn ausgesprochen; etwa: „Wir werden solchen Leuten im deutschen Staat der Zukunft einen Zwangsfahrschein aushändigen, mit dem sie schnell unsere heimatliche Erde
verlassen müssen...“
Plaut exponierte sich gegen die Nationalsozialisten, war als Anwalt zudem gelegentlich, wenn auch nicht in so starkem Maße wie z. B. Erich Lewinski, deren Prozessgegner und deshalb schon vor
deren Machtergreifung Opfer von Anfeindungen, die wiederholt im lokalen NS-Blatt ihren Niederschlag fanden. So war klar, dass – spätestens nach der Machtergreifung – auch Plauts Leben in Gefahr
war.
Die in Kassel wirkenden Nationalsozialisten warteten das Ermächtigungsgesetz noch ab. Dann aber kam aus ihrer Sicht der Tag der – teils persönlichen – Abrechnung.
Wie bereits geschrieben, steuerten die antisemitischen Ausschreitungen in jenen Märztagen 1933 in Kassel auf einen Höhepunkt zu: An diesen Tagen wurden von SA-Trupps Kasseler Juden „verhaftet“
und in die Bürgersäle gebracht, um dort im Folterkeller auf bestialische Weise gequält und gefoltert zu werden. Dies geschah mit Wissen des Polizeipräsidenten, der jedoch nichts unternahm.
Gegenüber dem Regierungspräsidenten begründete er seine Untätigkeit sinngemäß damit, dass sinnvolle Maßnahmen nur möglich wären, wenn überhaupt verhindert werden könne, dass SS-Leute einfach
Bürger dorthin verbrächten, was wiederum doch nur mit Waffengebrauch durchgesetzt werden könne. Derartige bewaffnete Auseinandersetzungen mit der SA seien jedoch indiskutabel und deren Folgen
unübersehbar.
Am Abend des 24. März 1933 etwa gegen 18.00 Uhr holte eine Horde von SA-Leuten Plaut mit Gewalt aus seinem Büro in der Wolfsschlucht und verschleppten ihn in den Folterkeller der Bürgersäle. Er
wurde in der fürchterlichsten Form über zwei Stunden lang misshandelt.
Danach wurde er in seine Wohnung in der Wilhelmshöher Allee 55 verbracht. Die herbeigerufenen Ärzte mussten ihn aufgrund der festgestellten schwersten Verletzungen in dauernder Narkose halten,
weil er sonst vor Schmerzen so laut schrieb, dass man es auf der Straße hören konnte. Sieben Tage später, am 31. März 1933, erlag er seinen schweren Verletzungen, u. a. Quetschungen an Nieren und
Lunge.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte „gegen Unbekannt“ wegen eines Tötungsdeliktes. Die anschließend durchgeführte Obduktion führte zur Einstellung des Verfahrens, weil die Ärzte sich nicht
festlegen wollten.
Obwohl in der Kasseler Presse nichts über die Ereignisse gemeldet wurde und die Witwe Elsa Plaut erst nach der Beerdigung, die unter polizeilicher Beobachtung stattfand, die Todesanzeige hat
aufgeben dürfen, sprach sich die Nachricht über den tagelangen „Exzess der Gewalt“ bald herum; offensichtlich auch über die Grenzen Kassels hinaus.
Es kamen am 28. März 1933 amerikanische Zeitungskorrespondenten nach Kassel, die in Frankfurt am Main akkreditiert waren, um den „Gerüchten“ nachzugehen. Sie ließen sich jedoch mit Äußerungen
über lediglich vorübergehend festgenommene Juden irreführen. Die Journalisten schauten sich in Kassel um und stellten fest, dass in den Straßen Ruhe und Ordnung herrschte, bekamen noch die
Sehenswürdigkeiten Kassels gezeigt und verließen Kassel wieder. Auch sonst ging ja entsprechend dem nationalsozialistischen Rechtsverständnis alles seinen “ordnungsgemäßen“ Weg. Plaut wurde als
erstes Todesopfer der Nazis in diesen gewalttätigen Märztagen symbolhaft im ersten Grab des neuen jüdischen Friedhofs in Kassel-Bettenhausen beigesetzt. Seine Witwe verließ mit den drei Kindern,
die zu diesem Zeitpunkt 15 ½, 9 ½ und 7 ½ Jahre alt waren, Deutschland umgehend und zog in die Schweiz. Das tragische Schicksal ihres Vaters verschwieg sie ihren Töchtern und erzählte lediglich,
dass der Vater verunglückt sei. Mit Schreiben vom 10. April 1933 teilt der Landgerichtspräsident dem Preußischen Justizminister lapidar mit, dass der Rechtsanwalt und Notar Max Plaut am 31. März
1933 verstorben sei und am 10. April 1933 in der beim LG geführten Anwaltsliste gelöscht wurde.
An das Schicksal Plauts erinnert eine Gedenktafel in der Oberen Kalsstraße 17 in Kassel, unweit der Stelle, an der sich die „Bürgersäle“ befanden.
Erika Wittlinger-Strutynski 2013
(Quelle: Martina Schröder-Teppe, Wenn Unrecht zu Recht wird...)
Max Plauts Grab war das erste auf dem neuen jüdischen Friedhof in Kassel-Bettenhausen.
Seit 2015 ist es ein Ehrengrab der Stadt Kassel.