Ernst Freudenthals herausragender Verdienst ist die Gründung des „Vereins ehemaliger Kasselaner in Israel“, der Mitte der 1970-er- Jahre etwa 180 Mitglieder hatte. Ernst Freudenthal hat sich über Jahrzehnte um eine Städtepartnerschaft zwischen Kassel und Ramat-Gan, der westlichen Nachbarmetropole von Tel Aviv, eingesetzt und sie auf den Weg gebracht. Durch seine Initiative begegneten sich Kasseler- und israelische Sportvereine in freundschaftlichen Wettkämpfen.
In Israel war Ernst Freudenthal viele Jahre Vorsitzender der CENTRA, der Vereinigung der Vereine der europäischen Landsmannschaften.
Seine Heimat Kassel hat der stattliche, Zigarren rauchende Herr nie vergessen und dies war spätestens an seinem ausgezeichneten Kasseläner Dialekt zu hören.
Seine Verdienste wurden mit der Kasseler Stadtmedaille, dem Paul-Dierichs-Preis, dem Wappenring, dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und dem Ehrenbrief des Landes Hessen gewürdigt; ferner wurde er Ehrenmitglied des Turnvereins Wehlheiden und des Boxerklubs BSK 26. Die Wolfsanger Sporthalle trägt seinen Namen seit 1999 ehrenhalber.
Ernst Freudenthal ist das Sinnbild einer grotesken Geste: Das Opfer reicht dem Täter die Hand zur Versöhnung – und engagiert sich mit ganzer Person für diese Überzeugung.
Am 25. März 1907 wurde Ernst Freudenthal in Wahlershausen geboren. Seine Familie zog während seiner Kindheit nach Wehlheiden um, wo er als 10-Jähriger in den Turnverein eintrat. Nach seiner Volksschulzeit war er Schüler des „RG 1“, des Realgymnasiums 1. Als Schüler trat er dem jüdischen Sportverein „Bar Kochba“ in Kassel bei, spielte Handball und ließ sich zum Schiedsrichter ausbilden, trainierte Leichtathletik und trat dem Sportverein BSK 26 bei.
Als 22-jähriger heiratete er, am 10. August 1929, die ebenfalls aus Kassel gebürtige, gläubige Christin Frieda Backhaus (* 1. März 1909 ).
Nach nationalsozialistischen, antisemitischen Ausschreitungen und nach der Geburt ihres Sohnes Wolf (Hebräisch: Ze’ev) beschließt das junge Ehepaar im Herbst 1933 ihrer Heimatstadt den Rücken zu kehren und zieht nach London, wo Ernst eine Ausbildung zum Automechaniker und die Ausbildung zum Fahrlehrer absolviert.
1936 entscheidet sich die Familie nach Palästina zu gehen. Im britischen Mandatsgebiet bekommt Ernst eine Anstellung bei der „Fahrschule Orient“ im jungen Tel Aviv.
1943 eröffnet Ernst Freudenthal seine eigene Firma in Tel Aviv, die bis heute, in dritter Generation besteht und die auf den Vertrieb von Kochgeräten für Großküchen spezialisiert ist.
Als ihr Sohn Ze’ev im Suez-Krieg 1956 für längere Zeit „verschollen“ ist, entschließen sich Ernst und Frieda zur Adoption eines überlebenden Holocaust-Mädchens: Lea. Überhauptnichts war ihnen über die Lebensgeschichte des etwa 11-jährigen Mädchens bekannt – und dem Mädchen selbst auch nicht: Sie kannte weder den Namen ihrer Eltern, noch den, den die leiblichen Eltern ihr gegeben hatten. Sie nahmen sie trotzdem zu sich; wenig später kehrte Ze’ev Heim und Lea blieb bei Ernst und Frieda und Ze’ev.
Am 12.02.1972 ließ „Ernie“ den „Verein ehemaliger Kasselaner in Israel“ ins Vereinsregister in Tel Aviv eintragen; Mitbegründerin war Ilse Felsenthal, für die ebenfalls in der Mönchebergstraße ein „Stolperstein“ verlegt ist.
Quellen:
Handschriftlicher Lebenslauf von Ernst Freudenthal ; 1991
HNA vom 08.05.1998
Rede des OB Georg Lewandowski am 15.06.2008 (Empfang der Stadt Kassel zu Ehren des 60-jährigen Bestehens des Staates Israel)
Frank-Matthias Mann