JULIUS BLAU
JOHANNA BLAU, geb. Cohen
WERNER BLAU
MARGITBLAU
BERTHA BLAU
MAX COHEN
Verlegung 19.September 2019
Julius Blau, geboren 1889 in Vacha, Thüringen, und seine Schwester Bertha Blau, Jg.1885, sind mit Jakob Stern Inhaber der Firma Blau und Stern, Textilwaren – Großhandel in Kassel, von 1919 bis 1928 in der Bahnhofstrasse 11 ansässig, danach in der Orleanstr.4 (heute Erzberger Str.). Ehefrau Johanna Blau ist als Prokuristin in der Firma tätig.
Im Melderegister der Stadt Kassel wird Julius erstmalig 1919 als wohnhaft in der Orleanstr. 8 aufgeführt zusammen mit Ehefrau Johanna Blau, geborene Cohen, die am 17.10.1900 in Dortmund zur Welt kam. In 1922 heiraten sie in Dortmund. Sie wechseln in Kassel mehrmals ihre Wohnung: 1919 Mauerstr. 22 1920 Bismarkstr.18, wo seit 1919 Bruder Wilhelm Blau (geb. 1880) lebt 1921 Moltkestr.10 1922 Hohenzollernstr. 42, (heute Fr.-Ebert Str.) Am 2.10.1924 wird hier Sohn Werner geboren 1927 Augustastr.2 (heute Pfannkuchstr.9). Hier zieht auch Julius' Schwester Katharina Blau (geb. 1894) ein. Tochter Margit wird hier am 2.3.1928 geboren. 1932 Sedanstr. 11 (heute Sickingenstraße),Parallelstraße zur Sedanstraße, in der sich die Firma befindet. 1933 ziehen auch Johannas Eltern aus Dortmund in der Sedanstraße ein: Max Cohen, geb.1871 in Wittmund und Eva, geborene Sternberg, geb. 1870 in Aurich.Am 1.7.1938 kommt noch Julius' Schwester Bertha Blau hinzu.
Ab Juli 1938 trifft Julius Vorbereitungen zur Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland.
So beantragt er am 9. August1938 ein Führungszeugnis für sich und einen Kinderpass für Werner, da er seinen Wohnsitz ins Ausland verlegen möchte mit dem Ziel Australien.
Daraufhin erfolgt am 30.August 1938 die Sicherstellung seines Vermögens durch die Zollfahndungsstelle Kassel auf ein Auswanderer Sperrkonto. Dem gutgehenden Geschäft wird am 13.Oktober 1938 nach Prüfung durch die Industrie- und Handelskammer vom RP Kassel die „Genehmigung zur Arisierung“ erteilt. Die Käufer sind Heinrich Hilgenberg, Kassel, Siemensstr.1 und Friedrich Weinholz, Kassel, Jägerstr.5. Der Kaufpreis beträgt 30.000 RM.
Am 21.Dez.1938 schreibt Julius an die Devisenstelle Kassel: Ich will am 25. Dez. 1938 mit dem Dampfer Gneisenau nach Shanghai auswandern.
Am 26.12.1938 emigriert Julius mit Ehefrau Johanna, den Kindern Werner und Margit, seiner Schwester Bertha und Schwiegervater Max Cohen – Schwiegermutter Eva Cohen war in 1936 in Kassel verstorben – zunächst zu seinem Bruder Wilhelm nach Luxemburg in die Josefstraße 37 in der Hauptstadt.
Im Jahr1938 fliehen viele Juden aus Deutschland nach Luxemburg. Im Verlauf des deutschen Westfeldzugs wird Luxemburg am 10. Mai 1940 von der Deutschen Wehrmacht besetzt, bis Ende 1940 wird die Deutsche Rechtsprechung eingeführt. Also flüchten viele Juden nach Frankreich. Gab es in Luxemburg es bis Mai 1940 noch 3700 Juden, so sind es im Juni 1943 nur noch 20-30 Juden. Doch viele Flüchtlinge werden in Frankreich abgefangen - auch in der unbesetzten Zone - und in Internierungslagern untergebracht.
Auch Familie Blau verlässt in 1940 Luxemburg, um über Frankreich ins Ausland zu entkommen. Aber dies gelingt nicht! Wie viele andere wird auch die Familie Blau abgefangen und im Lager „Les Milles“ in Südfrankreich nahe Aix-en-Provence interniert und von dort in das Durchgangslager Drancy bei Paris gebracht. Von dort fahren ab Sommer 1942 wöchentlich 3 Züge nach Auschwitz-Birkenau.
Julius, seine Schwester Bertha, seine Frau Johanna und die Kinder Werner und Margit werden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Als Todestag für Berta gilt der 31.8.1942. der für die anderen Familienmitglieder ist der 7.9.1942. Max Cohen wird am 27.8. 1942 über Köln nach Theresienstadt deportiert und von dort am 19.9.1942 ins KZ Treblinka und gilt als verschollen.
Am 11.2.1942 erfolgt durch die Gestapo die Sicherstellung des Vermögens von Julius und Bertha Blau wegen „Volks- und Staatsfeindlichkeit“.
DAS LAGER DRANCY IN FRANKREICH
Das Lager in der Nähe von Paris wurde im Oktober 1939 von Franzosen gegründet um Ausländer zu internieren. Im August 1941 geriet es unter Kontrolle deutscher Behörden, die dort tausende ausländischer Juden festhielten. In der Nähe befanden sich zwei Bahnhöfe, die Gleisanschluss nach Deutschland, also auch nach Polen, hatten. Von 1942 bis 1944 durchliefen etwa 70.000 Menschen das Lager; hauptsächlich Juden, aber auch Widerstandskämpfer. Im Sommer 1942 wurde das Internierungslager zum Durchgangslager: aus Razzien in Paris kamen 14.000 Juden und aus anderen Lagern in der unbesetzten Zone kamen 10.000 Juden nach Drancy. Von1942 bis 1944 wurden insgesamt 61.000 Juden aus Drancy in 64 Transporten deportiert: 61 Transporte nach Auschwitz, 3 nach Sobibor. Im August 1944 wurde Drancy von den Alliierten Streitkräften befreit. Quelle https://yvng.yadvashem.org/deportation/plac
Quellen:
HSTA Wiesbaden: Akte 519/3 Nr. 36029 Devisenstelle Kassel Stadtarchiv Kassel: Adressbücher, Hausstandsbücher , Meldekarte Kleinert / Prinz: Namen und Schicksale der Juden Kassels 1933-1945 Gedenkbuch Bundesarchiv: Opfer der Verfolgung der Juden unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1045 Yad vashem: Zentrale Datenbank der Namen der Holokaustopfer Stadt Dortmund: Archiv Standesamt
Margrit Stiefel, März 2019