Joel Dan Blättner wurde am 18. Dezember 1938 in der Landaustraße 9 in Kassel geboren. Seine Eltern waren Joseph und Alice Blättner, geb. Heinemann, die seit 1936 verheiratet waren, aber erst kurz vor Joels Geburt auch zusammen wohnten. Joel Dan war wohl der einzige Sohn der Familie und vermutlich ihr ganzer Stolz. Am 9.12.1941, kurz vor Joels drittem Geburtstag, wurde die Familie zusammen mit mehreren anderen Familienangehörigen (s.u.) mit dem ersten Deportationszug von Kassel in das Ghetto Riga deportiert.
Eltern des Vaters Großmutter
Louis Blättner *27.8.1868 |
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Dorothea Blättner geb. Konski *4.1.1866 |
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Rosalie Heinemann geb, Nagel *26.6.1874 |
Geschwister |
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des Vaters |
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Vater |
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Mutter |
Leo Blättner *3.12.1892 |
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Klara Blättner *8.5.1895
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Joseph Blättner *10.9.1897 |
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Alice Blättner geb. Heinemann *30.6.1905 |
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Joel Dan Blättner *18.12.1938
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Herkunft
Joels Großvater Louis Blättner (geboren 1868) war Glaser und stammte aus Aschendorf, einem Stadtteil der emsländischen Stadt Papenburg. Er heiratete die zwei Jahre ältere Dorothea Konski aus Berlin, wo die Familie zunächst wohnte und wo die ersten drei Kinder geboren wurden, nämlich Siegmund (*1892), Leo (*1892) und Klara (*1895). Joseph, das vierte Kind und Joel Dans Vater, wurde am 10.9.1897 in Cassel geboren, wo Louis Blättner beruflich Fuß fassen wollte.
Existenz auf Glas
Ab 1898 betrieb Louis Blättner in Cassel eine Glaserei (Glasschleiferei, später als „Mitteldeutsche Diamantindustrie“ und dann als „Glaser-Diamanten-Fabrik“ bezeichnet), zunächst in der Wörthstraße. Nach Stationen in der Holländischen Straße (1900), der Jägerstraße (1903) und der Friedrichsstraße (1906) erwarb er 1908 dafür das Gebäude einer Schreinerei in der Landaustraße 9. (Die Landaustraße wurde erst ab 1904 bebaut. Bis dahin gab es dort nur eine Försterei.) Louis ließ dort u.a. hochwertige Diamantwerkzeuge herstellen, mit denen er Bergwerkgesellschaften und große Fabriken belieferte.
Ab 1912 wurden die Söhne als Mitinhaber geführt. Sicherlich waren das zunächst nur die älteren, Siegmund und Leo. Joseph, der jüngste, verließ Kassel, war in Posen gemeldet (Kriegsdienst?) und kam erst 1918 nach Kassel zurück. Nach dem
Ersten Weltkrieg blieb nur Leo in Kassel. Siegmund und Clara verließen Kassel und zogen nach Berlin bzw. Hamburg. Joseph zog nach Kopenhagen und Leipzig, kam aber 1933 in die Landaustraße zurück, wo er wohl im Familienbetrieb mitarbeitete. Die Mutter Dorothea war bereits 1926 gestorben, der Vater verstarb in 1934. Im Jahre 1936 heiratete Joseph Alice Heinemann, die in der Parkstraße 13 wohnte und erst im Juli 1938 auch in die Landaustraße zog, wo kurz darauf ihr gemeinsamer Sohn Joel Dan geboren wurde. Die Blättners (also wohl die junge Familie und Bruder Leo bewohnten eine 6-Zimmer-Wohnung in der zweiten Etage und unterhielten im Hinterhof den Glaserei-Betrieb in einem einstöckigen Fabrikgebäude. Außerdem wohnten zeitweise Josephs Onkel Martin und die Cousinen Rosalie (*1891) und Fanni (*1899) dort, die beide später nach Norddeutschland verzogen.
Verfolgung und Enteignung
Josephs älterer Bruder Leo wurde nach der Pogromnacht 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, aber am 6.12. bereits wieder entlassen. Im Kasseler Adressbuch ist die Fabrik der Blättners bis ins Jahr 1939 verzeichnet. In 1940 wird dort nur noch Joseph Blättner bzw. „Blättner Erben“ angegeben. Bei der Deportation im Jahre 1941 wurde der Besitz der Familie Blättner von der SS beschlagnahmt. Der Gesamtwert (Wohnungseinrichtung, Fabrik, Rohdiamanten, Werkzeuge und Maschinen) wurde von Schwager Siegfried Heinemann, der im Jahr 1939 nach New York ausgewandert ist, auf 77.000 Reichsmark (100.000 RM – 23.000 RM Hypothek) geschätzt.
Vernichtung
Joseph, seine Frau Alice und ihr Sohn Joel Dan, sowie Josephs Geschwister Klara und Leo wie auch Alices Mutter Rosalie Heinemann wurden am 9. Dezember 1941 mit tausend weiteren jüdischen Mitbürgern aus Kassel und Umgebung in Güterbahnwaggons nach Riga deportiert. Dort wurden sie entweder sofort getötet oder aber in ein angeschlossenes Arbeitslager gesteckt. Wie von den meisten Mitgefangenen gibt es keine genauen Angaben zu den individuellen Schicksalen. Näheres wissen wir nur über Joseph Blättner, dessen Tod von den Schwagern Siegfried und Dr. Leopold Heinemann auf das Jahr 1944 im Lager Kaiserwald datiert wurde. Davon abweichend steht im Gedenkbuch des Bundesarchivs: Ermordet Juli 1942 Ein Ort wird dort nicht genannt.
Weitere Dokumente hier
Quellen:
Hausstandsbücher der Stadt Kassel, Adressbücher Kassel der Stadt Kassel Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Akte 518 Nr. 64322, Thiele, Helmut: Die jüdischen Einwohner der Stadt Kassel, 2000
Deportationslisten statistik-des-holocaust.de/list_ger.html Fotos: Heinz Körner: Kassel Südstadt, Geschichte eiines lebendigen Stadtteils Kassel 1904
Jürgen Strube 31.1.2017