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Gießbergstraße 7


 

LEVI HEILBRUNN

SARA HEILBRUNN geb. Neuhaus

OSKAR HEILBRUNN

BRINGFRIEDE FRIDL HEILBRUNN geb. Loewenthal

MAX MARTIN HEILBRUNN

PAUL HEILBRUNN

 

Verlegung am 9. Juli 2019

 

Levi Heilbrunn wurde am 13. 12. 1878 in Spangenberg geboren. Levi war von Beruf Lehrer und an der Jüdischen Volksschule in Kassel tätig. Er leitete seit 1919 nebenamtlich und nach 1929 hauptamtlich das Israelitische Waisenhaus in der Gießbergstraße 7. Außerdem war er Vorsitzender des israelitischen Krankenpflegevereins. Levi wird als klug, treu und gewissenhaft beschrieben. Er hat sein Leben ganz in den Dienst der ihm anvertrauten Jugend gestellt.

mehr zum Israelitischen Waisenhaus gibt es hier


Todesanzeige Levi Heilbrunn
Todesanzeige Levi Heilbrunn

Verheiratet war er mit Sara Heilbrunn, geborene Neuhaus, die am 26.9.1882 in Harmuthsachsen (das ist heute ein Ortsteil von Waldkappel) geboren wurde. Beide wohnten seit dem 1.4.1908 auch in der Gießbergstraße 7, dem Israelitischen Waisenhaus.

 

Hier wurden ihre drei Söhne Oskar (24.9.1912),             Martin (20.8.1918) und         Paul (10.1.1923) geboren.

 

Sara Heilbrunn geb. Neuhaus
Sara Heilbrunn geb. Neuhaus

 Im August 1939 wurde Levi Heilbrunn in das Polizeirevier in der Reuterstraße in Kassel bestellt und ist von dort nicht zurückgekehrt. Seinen Angehörigen wurde erklärt, er sei am Herzschlag gestorben, was aber, da er ein gesunder Mann war, stark bezweifelt werden muss. Es muss behauptet werden, dass er getötet worden ist oder infolge von schweren Misshandlungen gestorben ist. In der Todesanzeige heißt es; „Mitten in der Tätigkeit für eines der Waisenkinder“ traf ihn der Tod.“

Sara Heilbrunn war danach gezwungen, aus dem jüdischen Waisenhaus (wo ja Levi Heilbrunn Inspektor war) nach der Rosenstraße 20 (wo nur ein Zimmer für Sara Heilbrunn frei war) zu ziehen.

Dabei ist der größte Teil der Möbel verschwunden.  Ein Zeuge (der Elektriker Gödeke) wollte zusammen mit Sohn Paul einen Teppich aus dem Lagerhaus des Spediteurs Flöther holen, vergeblich. „Verdammter Saujude, mach, dass du vom Hofe kommst,“ musste er sich anhören.

Die beiden älteren Brüder (damals 26 und 22 Jahre alt) hatten zu der Zeit Kassel schon verlassen. Oskar studierte in Stuttgart zwei Semester Architektur, musste aber nach 1933 das Studium abbrechen und „einen nicht ernährenden Beruf als ungelernter Arbeiter ergreifen“. Er kehrte nach Kassel zurück und assistierte wohl im Waisenhaus als „Praktikant“. Dort lernte er auch seine spätere Frau Bringfriede "Fridl" Loewenthal (geboren am 28.10.1915 in Spangenberg) kennen. Fridl war Waisenkind und wuchs im Waisenhaus auf. Später war sie dort ebenfalls als "Praktikantin" tätig. Am 29.4.1939 heirateten die beiden in Kassel.



 Als am 7. November 1938 in Kassel (zwei Tage früher als im übrigen Deutschland) die Synagogen zerstört und die jüdischen Geschäfte demoliert wurden, ist Oskar unter den Verhafteten und muss mehrere Wochen (vom 11.11. bis zum 12.12.) im Konzentrationslager Buchenwald verbringen. Wir verfügen dazu über eine eidesstattliche Erklärung von William Katz, einem damaligen Mitgefangenen. Irgendwie gelingt Bringfriede, ihn aus Buchenwald herauszuholen („mit einem 

gefälschten amerikanischen Visum“, berichtet seine Tochter Suzanne). Sie gehen nach Regensburg , verlassen dann am 31.7.1939 bei Emmerich Nazi-deutschland und emigrieren nach Australien. Im Jahr 1953 erleidet Oskar einen Herzinfarkt, als dessen Ursache er Verfolgung und Leiden im NS-Deutschland ansieht.

Von seinem Bruder Max Martin wissen wir, dass er 1937 nach Frankfurt (Meldeunterlagen dazu gibt es nicht) umgezogen und 1938 nach Großbritannien und im selben Jahr von Southampton in die Vereinigten Staaten von Amerika emigriert ist. 1941 meldete er sich zum Militärdienst und kämpfte in Europa auf Seiten der Alliierten. Dabei lernte er auch seine Frau Inge kennen, mit der er nach dem Krieg in New York lebte.                                         Paul, der jüngste der drei Brüder, beginnt eine Schlosserlehre, für die er zeitweise in einem Lehrlingsheim in Frankfurt wohnen muss, ansonsten wohnt er aber weiterhin bei der Mutter. Die Mutter und Paul ziehen 1939 in die Weißenburgstraße 6 und 1941 in die Kölnische Straße 4.                                 

Auszug aus der Deportationsliste (in der achten Zeile: Paul)
Auszug aus der Deportationsliste (in der achten Zeile: Paul)

Sechs Wochen später am 9. Dezember werden sie und ihr Sohn Paul auf den Hauptbahnhof getrieben und in den Deportationszug nach Riga verladen. Sara Heilbrunn kommt am 2.11.1943 nach Auschwitz und wird dort drei Tage danach, am 5.11. ermordet.  Über das weitere Schicksal des Sohnes Paul ist nichts dokumentiert. Über den Umgang mit den Angekommenen im Rigaer Getto wissen wir, dass die Menschen, soweit sie arbeitsfähig waren (der 18jährige Paul gehörte sicherlich dazu), erst zum Schneeräumen und dann bei den zahlreichen Dienststellen und Betrieben (ca. 200 insgesamt) zur Arbeit eingesetzt wurden. Bis zur Befreiung des Lagers am 23.10.1944 durch die sowjetischen Truppen hat er gewiss nicht durchgehalten. Davon wüssten sonst seine beiden Brüder, die nach dem Krieg aus Übersee um die Entschädigung für die Familie kämpften.

 

Quellen:  

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: HHStAW,518/16212, HHStAW 518/16214, HHStAW 518/16215, HHStAW 519/N 10512                Hessisches Staatsarchiv Marburg: HStAM 270 Kassel 5937, HStAM 270 Kassel 6658, HStAM 910. 5678                                                                    Stadtarchiv Kassel: A 3.32 HB 200, A 3.32 HB 617,  A 3.32 HB 371                                                                                                               B. Kleinert und W. Prinz: Namen und Schicksale der Juden Kassels.Ein Gedenkbuch 1982                                                                          Helmut Thie Die jüdischen Einwohner zu Kassel 1700 – 1942                                                                                                                  Daniel Moses: Genealogie zur Familie Heilbrunn / Moses                                                                                                                  Deportationslisten http://statistik-des-holocaust.de/list_ger_hhn_411209.html                                                                                        Schriftliche Mitteilungen von Suzanne Moses, Enkelin von Leve Heilbrunn                                                                                                  Fotos aus dem Privatarchiv Hans-Peter Klein, Staatsarchiv Marburg 165 I 1084

Jürgen Strube im Mai 2019

 

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