Das Israelitische Waisenhaus in der Gießbergstraße 7

 

 Das Israelitische Waisenhaus, auch "die Philipp Feidel und Emilie Goldschmidtische Stiftung zu Cassel" genannt, stand in der Gießbergstraße 7. Hervorgegangen ist es aus dem Erbe des Bankiers Philipp Levi Feidel mit einem Stiftungskapital von 20.000 Talern und der Schenkung der Ehefrau des Kaufmannes Rüden Elias Goldschmidt, Emilie, geb. Feidel. Es war der unangefochtene "Stolz der ganzen Gemeinde".

Das Waisenhaus wurde 1856 gegründet und gewährleistete jüdischen Kindern aus ganz Kassel und Kurhessen Nahrung, Kleidung, Erziehung sowie Unterricht. Im Jahr 1899 wurde es neu errichtet aufgrund von Platzmangel. Außerdem wurde es modernisiert. Insgesamt kam es zu Kosten von 65,000 Talern.

 Es bot Platz für 40 Waisenkinder aus Kassel, ab 1908 aus ganz Preußen. Doch schon bei einer Kinderzahl von 33 Kindern gelangte es an seine Grenzen der Aufnahmefähigkeit aufgrund der beschränkten Mittel. Es war nämlich allein auf die Schenkungen von Freunden oder auch auf Vermächtnisse von reichen Gemeindemitgliedern angewiesen. Die Kinder lebten dort bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr, bis sie dann in ihren Beruf entlassen wurden.

das Israelitische Waisenhaus in Kassel mit Levi und Sara Heilbrunn (vorn in der Mitte) ca. 1936
das Israelitische Waisenhaus in Kassel mit Levi und Sara Heilbrunn (vorn in der Mitte) ca. 1936
Stadtplanausschnitt mit Gießbergstraße
Stadtplanausschnitt mit Gießbergstraße
Luftbild: Viertel an der Gießbergstraße (Pfeil zeigt auf dasWaisenhaus)
Luftbild: Viertel an der Gießbergstraße (Pfeil zeigt auf dasWaisenhaus)

 Nach dem Tode ihres Ehemannes im November 1934 übernahm die Gemeindeschwester und spätere Kasseler Ehrenbürgerin Sara Nussbaum die Pflege und Aufsicht im Waisenhaus. Auch dieses wurde während der Reichspogromnacht in Kassel am 7. November 1938 gestürmt. Die männlichen Waisenkinder wurden auf die Straße getrieben und deportiert. 1939 wurde Levi Heilbrunn, der Waisenhausinspektor, verhaftet und kam bei den polizeilichen Verhören ums Leben. 1942 hat man das Waisenhaus dann schließen lassen. Im 2. Weltkrieg wurde es wie viele andere Kasseler Gebäude komplett zerstört.

7. November 1938

„Am Abend des 7. November 1938 gegen 20 Uhr stürmten kamen SA-Männer in das

Israelitische Waisenhaus in Kassel an der Gießbergstraße 7. Sie trieben alle männlichen

Bewohner aus dem Haus auf die Straße, so auch mich und zwei meiner Freunde. Auf der

Straße waren schon viele Männer versammelt und wir mussten alle gemeinsam zum

Ständeplatz marschieren. Auf dem Weg dorthin zwangen uns die Nazis das Lied Hänschen

klein" zu singen. Da ich einer der Kleinsten war, ging ich am Schluss der Kolonne. Hinter uns

liefen Hitlerjungen und traten uns zu ihrem Vergnügen in den Hintern. Mit Besen,

Schrubbern und Zahnbürsten mussten wir zur Belustigung der Umstehenden den Platz

reinigen. Zwei Stunden später wurden wir auf LKW verladen und fuhren in die Nacht. Als wir

anhielten, befanden wir uns im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar. In Buchenwald

übernachteten wir im Freien und froren sehr. Am frühen Morgen wurden wir drei Jungens

und einige andere Männer auf ein LKW verladen und wurden zurückgebracht. Anscheinend

waren wir doch nicht genug Mann, ich weiß nicht, warum sie uns zurückbrachten.“

 

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