Die 35jährige Rosa Schönfeld hat am 26.September 1926 in Kassel den 27 Jahre älteren Abraham Knopf geheiratet. Am gleichen Tag wurde auch ihr Sohn Max geboren. Das Zusammenfallen dieser beiden Ereignisse erklärt sich nicht vollständig. Die beiden wohnten ja auch schon seit 1922, also seit vier Jahren zusammen und hatten auch ein gemeinsames Kind, Ernst Sally, damals drei Jahre alt.
Für beide war es die zweite Ehe.
Abraham ist geboren am 16.2.1864 in Hust, einem Ort in Galizien, das damals zu
Österreich gehörte. Er war in erster Ehe mit Gittel Horn verheiratet gewesen, die ebenfalls aus Galizien stammte und im Jahr 1919 in Kassel verstorben ist.
Rosa Ehrlich stammte aus den Niederlanden und ist am 14.9.1891 in Leuuwarden geboren. Sie war eine verheiratete Schönfeld und brachte aus dieser Ehe den Sohn Harry mit, der am 16.September 1919 geboren wurde und somit der älteste der Söhne war.
Nach den drei Söhnen (Hermann Harry *1919, Ernst Sally *1923 und Max *1926) folgte noch Tochter Sonja, die am 16.Mai 1933 zur Welt kam.
Abraham Knopf war Händler
und auch Totengräber. Zuerst gemeldet war er in Kassel 1918 in der Mittelgasse 5, zunächst mit seiner ersten Frau, danach mit Rosas Mutter und schließlich mit Rosa und ihren vier Kindern. Im Jahr
1934 folgte ein Umzug in die Fliegengasse 9, wo Abraham am 16.5.1934 verstarb und Rosa die vier Kinder allein erziehen musste.
Am 9. Dezember 1941 wurde sie mit Sohn Harry, Sohn Max und Tochter Sonja sowie 1000 weiteren jüdischen Bewohnern aus dem Regierungsbezirk Kassel nach Riga deportiert. Rosa war damals 50 Jahre alt, ihre Kinder 22, 15 und 8 Jahre alt. Überleben sollte keiner von ihnen.
Wann und wie die Mutter Rosa und die 8jährige Tochter Sonja ums Leben kamen, ist nicht bekannt.
Harry, der 22jährige Stiefbruder, hatte eine landwirtschaftliche Lehre begonnen, musste diese aber aus rassischen Gründen abbrechen, um Zwangsarbeit zu verrichten. Er verstarb am 20.4.1943 in Riga-Jungfernkopf, einem Außenlager des Ghettos Riga.
Der 15jährige Max hatte eine Tischlerlehre begonnen. Nach der Deportation wurde er am 9.August 1943 in das Konzentrationslager Stutthof verlegt, eine Woche später in das KZ Buchenwald und am 8.September 1944 nach Buchenwald, Kommando Tröglitz - Rehmsdorf überstellt. Ein persönlicher Todesnachweis liegt nicht vor. Die Berichte der wenigen Überlebenden (siehe unten) lassen erahnen, wie es ihm ergangen sein muss..
Von Ende 1944 bis zum 11. April 1945 befand sich in der Nähe des Rehmsdorfer Bahnhofs das Außenlager „Wille“ , dessen rund 9000 Häftlinge, unter ihnen der spätere Nobelpreisträger Imre Kertesz, im Hydrierwerk Zeitz arbeiten mussten. Fast 6000 kamen ums Leben durch die schwere Arbeit und karge Ernährung. Nicht mehr arbeitsfähige wurden ins KZ Auschwitz gebracht und vergast. Weitere 2000 verloren ihr Leben nach Auflösung des Lagers im April 1945 auf einem Todesmarsch nach Dachau oder Bergen-Belsen oder in einem dieser Lager.
Imre Kertesz, der drei Jahre jünger war als Max Knopf und die Lagerhaft überlebte, schildert die Lebensbedingungen in seinem "Roman eines Schicksallosen" in sehr eindringlicher Form. Einen kleinen Geschmack davon kann man hier bekommen.
Ernst Sally Knopf, geb. am 27.2.1923, ist der einzige der Familie, der dem Holocaust entkommen konnte. Er besuchte von 1929 bis 1937 die jüdische Volksschule in Kassel. Als er 1933 auf die Realschule wollte, wurde er als Jude nicht mehr aufgenommen. Also blieb er auf der Volksschule. Er wollte danach eine
Lehre als Feinmechaniker beginnen, konnte aber wegen seines Glaubens keine Lehrstelle finden. So begann er in Mannheim eine Gärtnerlehre.
Am 28.2.1938 wanderte er mit Hilfe der Jugend-Alija – einer Organisation zur Rettung jüdischer Kinder – nach Palästina aus. Er änderte seinen Namen in Shmuel Amir und war im Kibbutz Aschdoth Jaacov in der Landwirtschaft tätig. Von 1940 bis 1948 arbeitete er im Kibbutz Beth Haarawa am Toten Meer. Von 1948 bis 1949 war er im Israelischen Militär als Chauffeur angestellt. Nach der Entlassung arbeitete er ebenfalls als Kraftfahrer im Kibbutz Gesher Haziv bei Naharia am Mittelmeer.
Margrit Stiefel, Juni 2018
Quellenangaben:
Hausstandsbücher , Stadtarchiv Kassel
Kleinert/Prinz: Namen und Schicksale der Juden Kassels 1933-45
H. Thiele: Jüdische Einwohner Kassels
Standesamt Kassel am 21.11.2017: Geburtsurkunde Harry Schönfeld
Standesamt Kassel am 26.6.1926: Heiratsurkunde Abraham und Rosa Knopf
ITS Arolsen am 28.8.1958: Inhaftierungsbescheinigung für Max Knopf
KL Stutthof am16.8.1944: Einweisung Max Knopf am 15.10.1944
Eidliche Eklärung des Ernst Knopf, alias Shmuel Amir, Haifa 19.11.1957 (Lebenslauf)
Eidliche Erklärung des Ernst Knopf, alias Shmuel Amir ,Haifa 19.11.1957 : Antrag auf Ausstellung eines ErbscheinsFoto: Preuß. Bildungsanstalt regiowiki Kassel