Famile Plappla

Pferdemarkt 5  Ecke Müllergasse (früher Müllergasse 3)

Das Ehepaar Ida und Hirsch Plappla
Das Ehepaar Ida und Hirsch Plappla

Ida und Heinrich Plappla sind um 1915 aus Polen nach Deutschland eingewandert. Sie gehörten also zu den sogenannten Ostjuden. Im Gegensatz zu schon lange in Deutschland ansässigen jüdischen Familien. Sie haben zuerst in Grifte gewohnt bevor, sie 1925 nach Kassel kamen. Hirsch Plappla ist am 10. April 1882 in Checiny, einer Gemeinde mit 3000 Einwohnern geboren worden. Mehr als die Hälfte der Einwohner seiner Heimatstadt waren Juden. Seine spätere Frau Ida Goldbring stammte aus Bedzin in der Nähe von Krakow. Ihr Geburtsdatum war der 15. April 1884. Ihre damalige Heimat gehörte zu Kongresspolen, das faktisch ein Teil des zaristischen Russland war. Deshalb waren die Plapplas wie viele Ostjuden staatenlos.

 Bei ihrer Einwanderung  nach Deutschland brachten Ida und Hirsch zwei Kinder mit, die 1909 geborene Marjen und den 1912 geborenen Heinrich. Für Marjen liegt vor dem Haus Müllergasse 2 seit 2013 ein Stolperstein. Marjen war mit Julius Rosengarten verheiratet, der zu einer Familie gehörte, die etwa zur gleichen Zeit nach Kassel gekommen ist.

 Es war nicht festzustellen, wo die Plapplas in Grifte gewohnt haben. In Grifte hat sich die Familie vergrößert. Denn Sohn Isaak wurde 1919 geboren und Tochter Albina 1921. In 1925 sind sie nach Kassel gekommen. Ihre erste Kasseler Meldeadresse war Mittelgasse 72, keine 100 m von der Verlegestelle ihrer Stolpersteine entfernt.

Am 6. August 1927 ist Sohn Bernhard, genannt Benno, zur Welt gekommen. 1929 ist die Familie dann  in die Müllergasse 3 gezogen.

Die Häuser, in denen die Familie gewohnt und gelebt, gibt es nicht mehr. Sie sind im Inferno des Krieges, der von Deutschland ausgegangen ist, untergegangen. Deshalb können die Gedenksteine nicht immer punktgenau an der ursprünglichen Stelle eingebaut werden.

Hirsch Plappla hat als Zwischenmeister für Max Deutsch, Herrenkonfektion in der Moltkestraße 9, gearbeitet. 

In 1932 ist der 20-jährige Sohn Heinrich ausgezogen und laut Hausstandsbuch im Mai 1933 nach Frankreich emigriert. Die erstgeborene Tochter Marjen hat als Hausangestellte schon früh auf eigenen Füßen gestanden.

Im Polizeibericht vom 10.11.1938 über die im Anschluss an das Kasseler Novemberpogrom nach Buchenwald verschleppten „Aktionsjuden“ ist Isaak Plappla aufgeführt, aber durchgestrichen. Dieses Durchstreichen wird heute so interpretiert, dass er den Gestapoleuten damals nicht in die Hände gefallen ist.

Im September 1939 hat die Gestapo Vater Hirsch und seinen 20-jährigen Sohn Isaak in „Schutzhaft“ genommen und am 3. Oktober in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert. Häftlingsnummer: 7816, Haftkategorie: Schutzhaft. Am 8. März 1940 ist Hirsch Plappla erschlagen worden. Sohn Isaak war Zeuge der Misshandlung seines Vaters. Bei der Ausgabe von Post habe es ein Gedränge gegeben, bei dem die SS-Wachen mit Knüppeln auf die Häftlinge eingeschlagen haben, um sie zur Disziplin zu zwingen. Isaak hat beim Transport in das Krankenrevier mit geholfen. Todesursache im Sterbebuch: Herzschwäche bei Herzfehler.

1 ½ Jahre nach Hirschs Tod wurden Ida und ihr Sohn Bernhard im Dezember 1941 aus ihrer Wohnung in der Müllergasse mit kleinem Gepäck in die Judensammelstelle in der Schillerstraße gezwungen. Am 9. Dezember 1941 sind sie in aller Öffentlichkeit mit 1034 anderen Juden durch die Schillerstraße und Bahnhofstraße zum Gleis 13 des Hauptbahnhofs getrieben worden. Ein Sonderzug der Reichsbahn transportierte die Menschen ins Ghetto Riga. Seitdem fehlt von Ida jede Spur.

Über den bei der Deportation 14-jährigen Schüler Bernhard Plappla findet sich im ITS-Archiv Arolsen der Eintrag: „wurde am 1. Oktober 1944 durch die Sipo Riga in das KZ Stutthof eingeliefert, Häftlingsnummer: 9637, NS-Haftkategorie: Schutzhaft, Jude“. Stutthof war ein Lager östlich von Danzig, in dem zwischen 1939 bis 1945 etwa 110 000 Menschen inhaftiert waren, von denen 65 000 den Tod fanden. Der 17-jährige Benno gehört zu ihnen.

 Für Isaak Plappla, 1940 Zeuge beim Tod des Vaters, war die Haftzeit nicht zu Ende. Von Buchenwald wurde er ins KZ Sachsenhausen überstellt und musste dort in einem Sonderkommando bei der Fälschung von britischen und amerikanischen Banknoten mitarbeiten. Dieses Kommando wurde beim Herannahen der Front am 13.4.1945 nach Mauthausen/Österreich evakuiert. Die Befreiung erfolgte im Mai 1945 auf einem Todesmarsch. Isaak ist am 9. April 2015 im Alter von 95 Jahren in Berlin gestorben. Die in der Müllergasse verlegten Stolpersteine für seine Eltern und seinen Bruder sind ein Geburtstagsgeschenk seiner Tochter Renate Seiler (†) und seiner Enkelkinder.

Sohn Heinrich, Jahrgang 1912, hat in Frankreich im Verborgenen überlebt und ist inzwischen in Paris verstorben.

Tochter Albina, Jahrgang 1921, lebt in Paris. Bei einem Telefonkontakt hat sie die Verlegung von Stolpersteinen für ihre Eltern und ihren Bruder mit Freude zur Kenntnis genommen.


Jochen Boczkowski     2014

 

 

 


Quellen:  

Gedenkbuch Kassel 1986 | Gedenkbuch Bundesarchiv | digitales Archiv ITS Bad Arolsen, Teilbestand: 1.2.1.1, Dokument   ID: 11201471 – Transportlisten Gestapo), Teilbestand: 1.1.42.2, Akten ID: 4598399 – Individuelle Unterlagen Stutthof / Häftlingspersonalkarte),       Teilbestand: 1.1.5.3, Akten ID: 6834635 |Individuelle Unterlagen Buchenwald und Teilbestand: 1.1.5.1, Dokument ID: 5398934 – Listenmaterial Buchenwald

StadtA KS, Hausstandsbuch Müllergasse 3,    

www.stiftung-bg.de/gums/faelscher    

Telefoninterviews Isaak Plappla und Renate Seiler

 


 

 

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