Marianne und Robert Spangenthal - Kurt Spangenthal (1936) - Ludwig Spangenthal (1936 in Rom)
Marianne Spangenthal, geb. Schönemann, Mutter von zwei Söhnen und Schwester eines Bruders, denen es gelang, Zuflucht in den USA zu finden, hat wohl bis fast zuletzt auf die Möglichkeit ihrer eigenen Auswanderung gehofft – allerdings vergeblich. Nachfahren in den USA haben zahlreiche Dokumente und Briefe aus der Familie dem United States Holocaust Memorial Museum übergeben, die als „Spangenthal family papers“ öffentlich leicht zugänglich sind. Darunter viele von Marianne. Sie stammte aus Sontra, wo sie am 29. August 1883 als Tochter von Isaak und Mathilde Schönemann geb. Heilbrunn geboren wurde.
Von besonderer Bedeutung für die Familie sollte es in der NS-Zeit werden, dass ihr 1852 geborener Onkel Jacob schon im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in die USA auswanderte, wo er 1877 heiratete und 1889 in Baltimore (Maryland) das sehr erfolgreiche Textilunternehmen J. Schoenemann (später J. Schoenemann, Incorporated) gründete. Als er 1910 starb, galt er als „The Pants King“. Das Unternehmen führte sein Sohn Ansel weiter.
Marianne Schönemann heiratete den Kaufmann Robert Spangenthal und wohnte seit 1918 in Kassel in der Wörthstraße 20 (heute Hoffmann-von-Fallersleben-Straße) , wo sich auch die vom Ehemann 1913 gegründete Schuhgroßhandlung („Rospa“) befand. Da Robert Spangenthal bereits 1921 an einer Krankheit starb, die er sich als Soldat im Ersten Weltkrieg zugezogen hatte, bezog seine Witwe eine kleine Rente. Das Geschäft, in dem sie meist zwei Verkäufer und eine Bürokraft beschäftigte, führte sie allein weiter und konnte von dem Ertrag für sich und die beiden Söhne sorgen: den 1918 geborenen Kurt und den zwei Jahre älteren Ludwig (später Louis). Ihr Buchhalter schätzte im Entschädigungsverfahren nach dem Krieg das Einkommen aus der Schuhgroßhandlung Ende der 1920er Jahre auf ca. 7.500 RM.
Diese litt als kleines Handelsunternehmen seit 1933 unter den Boykottmaßnahmen; wann Marianne Spangenthal das Geschäft aufgeben musste, ist nicht klar. Offenbar war sie noch eine Zeit lang im Besitz von Schuhen, aus deren Verkauf sie etwas Geld erlösen konnte. Ihr lediger Bruder Robert, dessen Geschäft in Sontra gleichermaßen litt, lebte oft bei ihr in Kassel, vor allem, nachdem die Söhne Ludwig und Kurt 1936 bzw. 1938 in die USA hatten auswandern können.
Briefkopf des Unternehmens J. Schoenmann in Baltimore - Ansel Schoenemann, der Sohn von Jacob Schoenemann und Inhaber des Unternehmens, der Familienmitgliedern zur Emigration in die USA verhalf. (Jewish Museum of Maryland)
„Aus Kindern werden Briefe“ war ein geflügeltes Wort dieser Zeit unter deutschen Juden. Es galt nun auch für Marianne Spangenthal. Ihre Briefe zeugen von einer sorgenden Mutter, deren größter Wunsch es war, wieder mit ihrer Familie vereint zu sein, die wöchentlich schreibt und immer wieder sehnsuchtsvoll auf die Antwort wartet. Sie sind aber geprägt durch die Zensur, die es der Mutter nicht möglich machte, die Wahrheit über ihre Lage und die Situation in Deutschland zu berichten. Die Söhne erfahren etwas über ganz alltägliche Dinge, über die Art und Weise, wie die jüdischen Feiertage begangen wurden, über Verwandte und Menschen, die Deutschland verlassen haben oder werden, sie erhalten Fragen, Ratschläge und Ermahnungen. Nichts erfahren sie über alles, was der Zensur anstößig erscheinen könnte. So gibt es keine Beschreibung ihrer finanziellen Lage, nicht einmal eine Andeutung über den Novemberpogrom, die Verhaftung ihres Bruders und seine Haft in Buchenwald, keinen Hinweis darauf, dass Deutschland 1939 die Welt in den Zweiten Weltkrieg gestürzt hat oder ihr Bruder Siegfried in einer Heilanstalt starb.
Umschläge von Briefen Marianne Spangenthals an ihren Sohn Ludwig.
In Mariannes angestammte Wohnung wiesen die Nazis 1939 die aus Meimbressen vertriebene Familie Goldwein ein, zu der es offenbar verwandtschaftliche Beziehungen gab. Julie Goldwein schrieb im Mai 1940 an Mariannes Bruder Robert, nachdem auch dieser in die USA gelangt war: „Mit Sorgen denke ich daran wenn ihre Schwester auch so weit ist dass sie auch nach dorten kann, was es dann mit unsern hier wohnen gibt, trotzdem ich ihr das gute wünsche.“ Die guten Wünsche waren vergebens. Für alle Bewohner der Wohnung in der Wörthstraße gab es kein Entkommen mehr. Gemeinsam mit Bertha, Amalie, Julie und Leopold Goldwein musste Marianne Spangenthal Ende Mai 1941 in die Admiral-Scheer-Straße 13 (heute Goethestraße) einziehen, wo sie bis Mitte Februar 1942 lebte, als sie zu einem weiteren Umzug in das „Judenhaus“ Schillerstraße 7 gezwungen wurde. Aus dieser Zeit stammt der wahrscheinlich letzte erhaltene Brief von ihr an den Sohn Ludwig, dem sie ihre wichtigsten Dokumente beifügte, weil sie zu diesem Zeitpunkt offenbar die Hoffnung auf eine Rettung aufgegeben hatte:
„28/11 41 Kassel, noch Admiral-Scheerstr. 13 E l.
Lieber Ludwig
Heute früh erhielt Deinen l. Brief vom 2. Novbr. u. am Sonntag Brief vom 19.10. mit Einlage von Kurts Bildchen was mir so große Freude machte, es soll mir für die Zukunft mein Talismann sein. Bete zu Gott, daß es mir im Leben noch einmal vergönnt sein wird Euch in die Augen zu sehen. Dein Brief vom 27. Oktober kam am 20. Novbr. hier an. Es klingt alles was Ihr und Onkel Robert schreibt, mir wie in Märchen aus Tausend und einer Nacht und es wäre zu schön um wahr zu sein. Es tut mir so leid, lieber Ludwig, in erster Linie für Dich. Du hast Deine Zeit, die du zu Deiner [… ?] Ruhe dringend benötigste für mich geopfert, bei Deiner anstrengenden und langen Tagesarbeit und bin ich dir sehr dankbar dafür. Man braucht ja nicht lange Worte zu machen, es ist ja auch Kindespflicht. Doch scheint es mit meiner fälligen[?] Ausreise nach Kuba nichts zu werden. Das spanische Sichtver[…?] ist jetzt nicht zu haben. Demzufolge ist es auch nicht möglich [… Papier abgerissen …] zu bekommen.
Euch alles erdenklich Gute. (…) Beiliegend Geburt- Heirats und Sterbeurkunde … Hebt alles gut auf …“
Marianne Spangenthal gehörte zu den am 1. Juni 1942 nach Sobibor Deportierten, die dort zwei Tage später ermordet wurden. Den Wert des ihr noch verbliebenen dürftigen Hausrats schätzte der öffentlich bestellte und vereidigte Taxator Georg Horn auf 140 RM.
Ludwig (Louis) Spangenthal
Postkarte, die Ludwig an seinen Bruder Kurt während der Schiffsreise bei seiner Auswanderung 1936 schrieb, aber nie abschickte.
Spangenthals älterer Sohn wurde am 12. November 1916 in Sontra geboren und lebte mit den Eltern seit 1918 in der Wörthstraße. Anders als die meisten jüdischen Schüler seines Alters konnte er noch im Februar 1936 den Besuch des reformorientierten Realgymnasiums II mit der Reifeprüfung abschließen, die Absicht, Medizin zu studieren aber nicht mehr verwirklichen. Verwandte versuchten stattdessen, ihm bei der Suche nach einer Ausbildungsmöglichkeit zu helfen.
Ludwig unternahm 1936 noch eine Reise nach Italien, von der er ein Foto von sich aus Rom nach Hause schickte.
Noch im gleichen Jahr verhalfen ihm die Verwandten in Baltimore zur Auswanderung in die USA, um der Perspektivlosigkeit in Deutschland zu entgehen. Im September 1936 erhielt er in Stuttgart ein Visum und konnte Ende November mit einem der größten Passagierdampfer der Welt, der SS Berengaria, in die USA reisen. In Baltimore, einem Zentrum der amerikanischen Textilindustrie, erhielt er schon bald Marianne eine Anstellung bei J. Schoenemann, Incorporated. Neben seiner Arbeit qualifizierte sich Louis, wie er sich jetzt nannte, in Abendkursen als Buchhalter, später studierte er zudem Jura. Er arbeitete jahrzehntelange für die US-Regierung. Wie seine Nachfahren schreiben, war er Zeit seines Lebens offensichtlich zutiefst betroffen von der Tatsache, dass er seine Mutter nicht vor dem Vernichtungslager retten konnte. Eingedenk seiner eigenen Erfahrungen erinnerte er seine Kinder immer an die Notwendigkeit von Bildung, um in der Gesellschaft bestehen zu können, und ermunterte sie in diesem Sinne.
Louis heiratete 1942 Bessie Sender. Er starb 2005. Der 1956 geborene Sohn Julian Spangenthal und seine Frau Dorothy unterstützten uns bei unserer Recherche und freuen sich sehr über die Verlegung von Stolpersteinen für ihre Familienmitglieder.
Der Kurs von Louis und seine "Graduation" in den USA.
Kurt Spangenthal
Der jüngere Sohn Marianne Spangenthals wurde am 11. Juli 1918 in Sontra geboren. In Kassel besuchte er von 1924-1929 die jüdische Volksschule, von 1929-1931 das Realgymnasium II und von 1931-1935 wieder die jüdische Volksschule. Nach dem Schulabschluss scheint die Suche nach einer Ausbildungsmöglichkeit für den jüdischen Jugendlichen äußerst schwierig gewesen zu sein, denn Kurt begann eine Lehre bei der Tischlerwerkstatt Heinrich Winkler im weit entfernten Beuthen in Oberschlesien. Vielleicht mag ausschlaggebend gewesen zu sein, dass im oberschlesischen Abstimmungsgebiet zum Zeitpunkt des Beginns seiner Lehre noch besondere Bedingungen herrschten. Denn nach dem deutsch-polnischen (Genfer) Abkommen aus dem Jahr 1922 galten im westlichen Oberschlesien die antijüdischen „Gesetze“ und Regelungen für das übrige Reichsgebiet nicht. Aber am 15. Juli 1937 lief das Abkommen aus. Einen Monat später, am 12. August 1937, schreibt Kurt an seinen Bruder in einem Brief, der von den erhaltenen der einzige ist, der ungeschminkt die Lage der Juden nun auch in Oberschlesien beschreibt:
„Ich habe in den letzten Tagen auf dem Bau gearbeitet und zwar windows eingesetzt, wie du siehst macht mein Englisch fortschritte. Es tut mir teils leid, dass ich gerade wenn die Arbeit Freude macht dieselbe verlassen muss. Aber es ist immerhin gut so, da die Nürnbergergesetze und sonstiges nicht gerade angenehme Auswirkungen hatten. Leider hat sich der Übergang und die Aufhebung des Minderheitenschutzgesetzes nicht so ausgewirkt wie es in den ersten Tagen aussah. Über diese Dinge zu schreiben ist zwecklos, da geschehene Dinge nicht zu ändern sind, jedenfalls in der Berufsschule stand an der Tafel: … 1922 Genfer Abkommen. 1937 Aufhebung des Minderheitenschutzgesetzes, Unser Kampf gegen Juden in O.S. [Oberschlesien] führt der „Stürmer“. In den Strassen sieht man Plakate des Stürmers und Schilder, die sagen: ‚Deutsche Hausfrauen, kauft nicht bei Juden.‘ Man könnte noch vieles schreiben, aber du weißt: Wir können zunächst nichts ändern und zweitens gibt es keine Brieffreiheit.“
Unter diesen Umständen konnte Kurt seine Lehre nicht beenden. Wiederum wohl mit der Hilfe der Verwandten in den USA, zu denen ja seit Ende 1936 auch sein Bruder gehörte, ergriff er die Möglichkeit, am 11. Januar 1938 mit der SS Manhattan Ludwig in die USA zu folgen. Auch er fand eine Anstellung bei J. Schoenemann Incorporated. 1941 ging er in die US-Army und war 1944/45 in Europa eingesetzt.
Kurt heiratete 1943 Lore Dellheim, die Tochter Marilyn kam 1945 zur Welt. Kurt zog nach York (Pennsylvania) und arbeitete jahrzehntelang als reisender Handelsvertreter. Er war ein aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde in York und diente im Vorstand des Temple Beth Israel. Seine Tochter Marilyn Bowers, ihr Mann und Enkel gaben uns eine Reihe von Informationen und freuen sich über das Gedenken an ihre Familie in Kassel.
Siegfried Schönemann
Marianne Spangenthals jüngerer Bruder Siegfried wurde am 23.Juni1889 in Sontra geboren und hatte offenbar mit mittlerer Reife der Familientradition entsprechend eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Ein Einschnitt in seinem Leben war, dass er als Soldat im Ersten Weltkrieg verschüttet wurde und sich davon nicht mehr erholte. Eine seelische Erkrankung führte das Reichsarbeitsministerium dazu, ihn als zu 100 Prozent kriegsbeschädigt einzuordnen und ihm im Rahmen einer „Härtefallregelung“ monatlich etwa 90 RM zu zahlen.
Seit 1921 war er in stationärer Behandlung im Sanatorium Neue Mühle bei Kassel und im Karlshospital in Kassel. Die Diagnose war Schizophrenie. Er wurde entmündigt (wann ist nicht klar), gesetzliche Vertreterin war seine Schwester Marianne. Siegfried war ledig und hatte keine Kinder.
Am 4.2.37 wurde er in die Landesheilanstalt Haina eingewiesen, da die Ärzte in Kassel die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt als notwendig erachteten. Während es vorher so scheint, als ob die Mediziner seine Krankheit auf ein traumatisches Erlebnis im Ersten Weltkrieg zurückführten, ist nun von einer Erbkrankheit die Rede und Symptome seiner Krankheit werden im April 1938 als „typische jüdische Wehleidigkeit“ bezeichnet.
Anfang 1940 gibt es erstmals Mitteilungen aus Haina an die Schwester, dass auch sein bis dahin „gutes“ körperliches Befinden sich bedenklich verschlechtert habe. Marianne hat nun wohl die Absicht, ihn zu besuchen, wozu es aber offenbar nicht mehr kommt. Siegfried stirbt am 15. Mai 1940, noch bevor die systematische Ermordung von Patienten beginnt. Seine Leiche wird am 17. Mai nach Kassel überführt. Aus der Patientenakte ergibt sich nichts über die Todesursache. Hier können nur Vermutungen angestellt werden: Waren Siegfried Schönemanns Pflege und Ernährung noch ausreichend?
Robert Schönemann
Der ältere Bruder Marianne Spangenthals wurde am 10. Mai 1886 in Sontra geboren und blieb ledig. In seiner Heimatstadt betrieb er die Getreide-, Futter- und Düngemittel- und Kohlenhandlung I. Schönemann, die er wohl von dem Vater übernommen hatte, und verfügte über Haus- und Grundbesitz in der Niederstadt, darunter ein dreistöckiges Haus mit einer 9-Zimmer-Wohnung. Er muss in der Kleinstadt sehr angesehen gewesen sein, denn er war vor 1933 mehrere Jahre Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats.
Wie das Geschäft seiner Schwester litt auch seines unter den 1933 einsetzenden Boykottmaßnahmen. Während er nach eigenen Angaben noch 1932 ein Einkommen von ca. 9.000 RM erzielte, betrug dieses für die Zeit von 1933 bis zum September 1934 gerade einmal 3.000 RM, was ihn zur weitgehenden Aufgabe seiner Geschäftstätigkeit veranlasste. Den „Hauptteil der Zeit“ lebte er auf Grund der „Verfolgungssituation“ in der Kleinstadt Sontra nun bei seiner Schwester in der Großstadt Kassel. Sontra mit ca. 2.500 Einwohnern gehörte zu den Gemeinden, in denen der Terror des Novembers 1938 bereits im 7. November entfesselt wurde. Robert Schönemanns Haus und Besitz wurden brutal demoliert und geplündert, wie auch Zeugen und auch die Polizei nach dem Krieg bestätigten. In einer Zeugenaussage beim Regierungspräsidenten gab Robert Schönemann 1954 zu Protokoll:
„Ich war am 7. Nov. 1938 nicht in Sontra. Ich bin am 9. Nov. 1938 in Kassel verhaftet worden und habe bis zum 10. Dez. 1938 im KZ. Buchenwald eingesessen. Als ich von dort nach Sontra zurückkam, musste ich feststellen, dass alle Räume in Sontra restlos ausgeräumt waren. Ich habe überhaupt nichts mehr in der Wohnung vorgefunden, mit Ausnahme eines Klaviers, das vollständig zertrümmert war. Dasselbe trifft auch für meine Geschäftsräume und mein Lager zu. Ich habe vor Angst natürlich nicht erst lange in Sontra nachgefragt, wo meine Sachen verblieben sind. Ich bin nach Kassel gefahren, habe dort weiter bei meiner Schwester gewohnt, musste aber noch die Reparaturen meiner Türen und Fenster – die während meiner Haft im Auftrage der Stadt durchgeführt worden waren – bezahlen.“
Ein Zeitzeuge versicherte gleichfalls 1954 eidesstattlich:
„Im November 1938 habe ich selbst gesehen, dass das Haus geplündert wurde, die gesamte Einrichtung des Hauses wurde auf die Gasse geworfen, hier vernichtet und gestohlen. Das gilt auch von dem Inventar, darunter verstehe ich Wagen, Geschirre, Büroeinrichtung, Warenvorräte an Getreide, Dünger und Kohlen, Zeltplanen und Säcken.“
Robert Schönemann teilte das Schicksal vieler jüdischer Männer: Er wurde am 9. November in Kassel verhaftet, in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt und dort unter erbärmlichen Bedingungen im Sonderlager für die sog. Aktionshäftlinge bis zum 12. Dezember 1938 inhaftiert. Für die Rückreise nach seiner Entlassung zahlte Marianne 10 RM an das Konzentrationslager, wie ein Dokument aus Buchenwald ausweist.
Nach dem Novemberpogrom erhielt Robert Schönemann endgültig Berufsverbot und zog im März 1939 zu seiner Schwester nach Kassel. Es gelang ihm, am 4. Juli 1939 mit der „Deutschland“ seinen Neffen Ludwig und Kurt nach Baltimore zu folgen. Zuvor hatte er noch einen Strafbefehl über 200 RM erhalten, weil er in seinem Auswanderungsantrag den Zusatz „Jude“ vergessen hatte. Seinen Besitz verkaufte er von den USA aus im Juni 1942 an eine Familie aus Sontra.
1954 reiste Robert Schönemann noch einmal nach Kassel und Sontra und sagte persönlich beim Regierungspräsidenten aus, um Entschädigungsansprüche geltend zu machen und geschäftliche Angelegenheiten zu regeln. Er starb ein Jahr später in den USA.
Amerikanische Karikatur, die in den "Spangenthal Family Papers" überliefert ist.
Die Wörthstraße nach den Kriegszerstörungen 1944 (Foto: Paetow, StadtA Kassel 0.005.702)
Quellen und Dokumente
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW)
518/15516 und 518/15520 (Entschädigungsakten Marianne Spangenthal)
518/15515 (Entschädigungsakten Kurt Spangenthal
518/15518 (Entschädigungsakten Ludwig Spangenthal)
518/68472 und 518/68498 (Entschädigungsakten Robert Schönemann)
United States Holocaust Memorial Museum (USHMM)
Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen
LWV-Archiv K 13 Nr. 1940/103 (Patientenakte Siegfried Schönemann)
Genealogien der Familien Schönemann und Spangenthal (zur Verfügung gestellt von Hans-Peter Klein)
Arolsen Archives
Dokumente zu
· Siegfried Schönemann
· Robert Schönemann
· Marianne Spangenthal
Stadtverwaltung Sontra
Schriftliche Auskünfte zur Familie Schönemann
Stadtarchiv Kassel
Adressbücher, Hausstandsbücher
The Jewish Museum of Maryland
Schriftliche Auskünfte zu J. Schoenemann, Inc., Zeitungsartikel zu Jacob Schoenemann und Fotos
Schriftliche Auskünfte zur Familie und Familienfotos von
· Dorothy und Julian Spangenthal (USA)
· Marilyn und Wiatt F. Bowers (USA)
Literatur
Gomes, Ilse: Spuren einer Minderheit. Juden in Sontra 1367-1942, Sontra 1981 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Sontra Heft 7)
Matthäus, Wolfgang: Kaiserstraße 13. Geschichten vom jüdischen Leben und seiner Zerstörung im Vorderen Westen, in Kassel und der Region, Kassel 2014
Wolfgang Matthäus, Oktober 2020