Georg Mendershausen wurde am 26.06.1858 in Nienburg/ Saale (Anhalt) als eins von sieben Kindern der Eheleute Moritz und Emilie Mendershausen, geb. Löwenthal geboren. Um die Zeit seiner Geburt lebten etwa 19 jüdische Familien in dem Ort bei Bernburg. 1829 war eine Synagoge gebaut worden; um 1840 der jüdische Friedhof eröffnet. Um 1850 begann allerdings die „Abwanderung“ der Juden des Ortes: Die Synagoge wurde 1888 aufgegeben, die verbliebenen Juden schlossen sich der jüdischen Gemeinde in Bernburg an.
Er heiratete Therese Abraham, die am 30.11.1860 in Samter (polnisch: Szamotuly) bei Posen – im damaligen Preußen – geboren war. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor: Helena, Martha, Erna und Paul.
1908 lebte die Familie in der Kölnischen Straße 90, bis sie am 23.3.1914 in das Nachbarhaus Kölnische Straße 88 zogen. Helena starb vor 1928. Martha ist 1895 geboren und 1964 in Südafrika gestorben. Erna ist in die Schweiz geflohen und um 1960 gestorben.
Georg Mendershausen führte in der Unteren Königsstraße, Ecke Hedwigstraße ein Schuhgeschäft in exklusiver Lage.
Nach der „Machtergreifung“ der Nazis wurde das Schuhhaus Mendershausen 1936 „arisiert“, das Georg mehr als 50 Jahre betrieben hatte.
Sohn
Paul, Jahrgang 1900, war mit Phyllis Unterberger, verheiratet. Sie hatten 2 Kinder; Helen und Fred. Phyllis war US-Bürgerin, deshalb gab es in den 1930-er Jahren Schiffsreisen von Mutter Phyllis
und Tochter Helen nach NewYork. Laut Kasseler Gedenkbuch wohnte die vierköpfige Familie in der Annastraße 15, bevor sie Mitte der 1930-er Jahre endgültig in die USA emigrierten. Paul ist in den
1980-er Jahren gestorben. Helen und Fred leben noch.
Auf einer Passagierliste des Dampfers „Bremen“ vom 25.3.1938 sind Georg und Therese Mendershausen als Reisende nach New York eingetragen; vielleicht um Sohn Paul, Schwiegertochter Helen und die Enkel Helen und Fred zu besuchen. Sie sind aber danach wieder nach Kassel zurückgekommen.
Noch im Juni 1938 findet sich eine Würdigung des 80-jährigen Georg im Gemeindeblatt.
Ab September 1939 begann unter dem zunehmenden Verfolgungsdruck der Nazis eine Serie von Wohnungswechseln, der jetzt ohne familiären Anhang in Kassel Lebenden. Über die Adressen Amalienstraße 11, Kölnische Straße 51, Schillerstraße 9 landeten sie schließlich im Mai 1942 im jüdischen Altersheim in der Mombachstraße 17
Von
hier aus wurden sie am 7.9.1942 mit „Transport XV“ des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA IVB4) als Nummer 668 bzw. 669 mit insgesamt 846 Juden von Kassel nach Theresienstadt deportiert: Georg
Mendershausen (84) und Therese (82) gehörten zu den Ältesten. Nach dieser 3. Deportation galt Kassel im Nazijargon als judenfrei.
Wenige Tage nach der Ankunft, am 29.9.1942 wurden sie von Theresienstadt mit 2000 Juden – unter ihnen 495 aus dem ehemaligen Hessen-Nassau – in Viehwaggons in das Vernichtungslager Treblinka transportiert. Die meisten dieses sogenannten „Alterstransportes“ wurden nach Ankunft in Treblinka ermordet. (Die Mörder fertigten keine Totenlisten. Alle Sachen, die eine Identifizierung der Ermordeten möglich gemacht hätten, wurden vernichtet. Die Gaskammern in Treblinka wurden mit Kohlenmonoxyd betrieben, die Leichen in Gruben verscharrt.)
Im Zuge des „Claims Resolution Tribunal“ stellten in Südafrika lebende Nachfahren von Georg und Therese Mendershausen Schadensersatzforderungen für erlittenes Leid und wirtschaftliches Unrecht (Case No. CV96-4849), denen im November 2002 stattgegeben wurde.
(Frank-Matthias Mann)
Quellen: GedBuch KS / GedBuch Bund / digitales Archiv ITS Bad Arolsen:Teilbestand: 1.2.1.1, Dokument ID: 11201504 – Transportlisten Gestapo;Teilbestand: 1.1.42.2, Dokument ID: 5064300 und Dokument ID: 5064303 – Kartei Theresienstadt) / Die jüdischen Einwohner in Kassel nach Helmut Thiele / Fotos Privat / Mail- und Telefonauskünfte Dr. Jeanne Katz, GB /