Walter Buda

Gartenstraße 27

Walter Buda ist am 29. Januar 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen als politischer Schutzhäftling ermordet worden. Walter gehört zu den 18 Menschen, die in der allerersten Ausgabe der Lizenzzeitung Hessischen Nachrichten vom 26. September 1945 auf der Titelseite benannt werden.

 

Im August 1936 wurde das Konzentrationslager (KZ) Sachsenhausen für männliche Häftlinge rund 35 Kilometer nordöstlich von Berlin bei Oranienburg gebaut. Die Anlage des Lagers orientierte sich an einem architektonischen "Idealplan": Dreiecksgrundriss, symmetrischer Aufbau, fächerförmig um den Appellplatz gruppierte Baracken und rundum verteilte Sonderbereiche waren unmittelbarer Ausdruck absoluter Kontrolle. Zunächst lieferte die SS politische Gegner des NS-Regimes in das KZ Sachsenhausen ein: Kommunisten, Sozialdemokraten, liberale und konservative Politiker. Später folgten Homosexuelle, Sinti und Roma, Christen, Zeugen Jehovas und Kriminelle. 1938 stieg die Zahl der ausschließlich männlichen Häftlinge in Sachsenhausen infolge verschiedener Verhaftungsaktionen stark an. Im Zuge der Aktion "Arbeitsscheu Reich" des Reichskriminalpolizeiamts vom März und Juni 1938 lieferte die SS rund 6.000 als "asozial" eingestufte Menschen in das Lager ein. Nach der Pogromnacht vom November 1938 wurden ca. 6.000 Juden nach Sachsenhausen transportiert. Mit der Zerschlagung der "Rest-Tschechei" im Frühjahr 1939 und mit Beginn des Zweiten Weltkriegs füllte sich das Lager zunehmend mit Häftlingen aus den besetzten Ländern Europas.

In den täglichen Statistikmeldungen der SS-Lagerverwaltung taucht Walters Name erstmals in einer Veränderungsmeldung vom 16. Januar 1939 auf. Das deckt sich mit dem Ende seiner Strafhaft im November 1938. Ein Jahr später ist er tot, 39 Jahre alt. Der Devise "Vernichtung durch Arbeit" fielen unzählige Häftlinge zum Opfer. In seiner Sterbeurkunde steht „Körperschwäche“.

Zwischen 1936 und 1945 waren im KZ Sachsenhausen mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Waren die Häftlinge zunächst überwiegend deutsche Staatsbürger, waren es nach Beginn des Zweiten Weltkrieges zehntausende Menschen aus den besetzten Ländern, darunter politische Gegner des Nationalsozialismus bzw. der kollaborierenden Regierungen, ausländische Zwangsarbeiter sowie alliierte Kriegsgefangene. 1944, da war Walter schon 4 Jahre tot, waren rund 90 Prozent der Häftlinge Ausländer, unter denen Bürger der Sowjetunion und Polen die größten Gruppen stellten. Unter den Häftlingen des KZ Sachsenhausen befanden sich auch rund 20.000 Frauen. Zehntausende Häftlinge kamen im KZ Sachsenhausen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit, medizinische Versuche und Misshandlungen um oder wurden Opfer von systematischen Vernichtungsaktionen der SS. Im Herbst 1941 ermordete die SS mindestens 13.000 sowjetische Kriegsgefangene, unten denen sich viele Juden befanden, in einer eigens dafür gebauten "Genickschussanlage" und bei der Erprobung von Gaswagen. Etwa ein halbes Jahr später wurde im Frühjahr 1942 auf dem Industriehof eine Vernichtungsanlage mit Krematorium, Genickschussanlage und einer 1943 eingebauten Gaskammer errichtet. In Analogie zum Turm A als Eingangstor bezeichnete die SS das Gebäude zynisch als "Station Z".

 

Walter Buda ist am 25. April 1900 in Kassel geboren. Seine Eltern waren der Schuhmacher Justus Buda und Martha Buda geborene Göbel. Seine Kindheit verbrachte Walter im Haushalt der Eltern. Sie wohnten damals in der Nordstadt. Westring, Holländische Straße, Mombachstraße waren die Wohnadressen, zuletzt auch mal die Ziegengasse, Ecke Graben. Walter hatte 3 Geschwister, Konrad, Erna und Franz.

Er ist in die Bürgerschule 11 in der Magazinstraße, Ecke Gartenstraße gegangen. Heute ist dort Wohnbebauung. 1914 war Konfirmation in der Auferstehungskirche (Mombachstraße), ganz nahe zur Wohnung der Eltern. 3 Jahre Lehre als Maschinenschlosser bei Beck und Henkel schlossen sich an. Nach der Lehre war er als Schlosser bei Henschel, der Munitionsfabrik auf dem Forst tätig, bis Kriegsende 1918. Einige Jahre arbeitete Walter bei Crede Waggonfabrik in Niederzwehren. Die Personalakte im Zuchthaus Wehlheiden vermerkt: „Feste Arbeit im Beruf gehabt bis 1930. Dann bis 1936 ohne Stellung.“ Zeitweise war er auch mit Notstandsarbeiten beim städtischen Tiefbauamt beschäftigt. Wochenlohn 25 RM.

 

1924 haben Walter Buda und Luise Spatz geheiratet. Luise stammte aus Straßburg im Elsass und war 3 jünger als er. Im selben Jahr ist ihr Sohn Fridrich geboren. Die Wohnung der Eheleute war zunächst in der Artilleriestraße und ab 1927 in der Gartenstraße 27, Hinterhaus 2. Stock.

Schon Mitte der 1920-er Jahre hat er sich der revolutionären Arbeiterbewegung angeschlossen. Ein genaues Datum, wann er Mitglied der KPD geworden ist, gibt es nicht. Auf jeden Fall gehörte er auch zum Kampfbund gegen Faschismus und zur Solidaritätsorganisation Rote Hilfe. Im Januar 1931 beteiligte er sich mit anderen Antifaschisten an der Blockade einer Naziversammlung in Grebenstein. Die auf dem rechten Auge blinde Justiz der Weimarer Republik wertete das als Landesfriedensbruch. Ein Schöffengericht schickte ihn, wie etliche andere Nazigegner, für 6 Monate ins Gefängnis. Die Strafe musste er in Preungesheim absitzen.

 

Nach der Machtübertragung Hindenburgs an die Nazis in der Person Hitlers als Reichskanzler setzte im Februar sofort die Verfolgung der politischen Gegner ein. Die führenden Funktionäre der KPD wurden in Haft genommen, ihre Mandate in allen Körperschaften aberkannt und auch auf lokaler Ebene Hunderte von Antifaschisten in Breitenau eingekerkert und brutalen Repressionen ausgesetzt.

Trotzdem setzten Buda und Genossen ihre Widerstandstätigkeit fort. Sie knüpften Verbindungen untereinander und versuchten den Kontakt zu illegal tätigen Leitungsgremien aufrecht zu erhalten. Am 23.Juli 1935 wurde Walter Buda zusammen mit 17 weiteren Personen – 4 Frauen und 16 Männer – verhaftet. Mit diesen Festnahmen war es der Stapo Kassel gelungen, große Teile des neu aufgebauten illegalen Apparates der regionalen KPD zu zerschlagen.

 

Walter Buda ist nach 16 Monaten U-Haft am 1.12.1936 vom OLG Kassel wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu 3 Jahren Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren verurteilt worden. Ein Jahr U-Haft wurde angerechnet. Zu den Urteilsgründen zählte, dass er in seiner Wohnung ein Zimmer an das Ehepaar Paula und Ernst Lohagen untervermietet hatte. Beide waren führend im Bezirk Kurhessen Waldeck der KPD tätig, sowohl vor 1933, als auch in der Illegalität. Letzten Endes wurden die Bemühungen, den organisatorischen Zusammenhalt der Partei aufrecht zu erhalten, als Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gewertet.

Die Strafe hat er im Zuchthaus Wehlheiden verbüßt. Der Strafvollzug war in der Zeit des Faschismus darauf angelegt, den Verurteilten zu entrechten und zu demütigen, sein Selbstbewusstsein zu zerstören. Die Haftbedingungen machten krank. Buda klagte über Nervenleiden am Bein und Arm. Nach Entlassung aus der Strafhaft ging es für Walter ohne einen Tag in Freiheit in die Schutzhaft. Er wurde in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingewiesen. Im März 1939 – während der Lagerhaft – wurde seine Ehe geschieden. Im Rahmen des beim Landgericht Kassel anhängigen Scheidungsverfahrens ist der Häftling mit geschorenem Kopf vom KZ nach Kassel gebracht worden, mit der Eisenbahn im Gefangenen-Sammelwagen. Das war im Januar 1939. Das Heranwachsen seines Sohnes Fridrich hat er nicht erleben und auf seine Entwicklung keinen Einfluss nehmen können.

 

In Nr. 1 der Hessischen Nachrichten aus 1945 heißt es: „Wir senken die Fahnen! Ihr Tod sei uns Mahnung, zu arbeiten und zu kämpfen. Aus ihrer Asche soll ein neues besseres Deutschland erstehen, für das sie litten und starben.“ Die Inschrift auf der Stolperschwelle vor der Pforte des Wehlheider Zuchthauses erinnert auch an Walter Buda und Tausende andere zu Unrecht Eingekerkerte.

 

Walters Bruder Franz Buda war von 1935 bis 1945 in Haft. Stationen Wehlheiden und Buchenwald. Geboren 1905, gestorben 1989.

Nach Abschluss der Recherchen ist zu tage getreten, dass die geschiedene Ehefrau Luise wieder verheiratet war und als Luise Schmidt, geb. Spatz einen Entschädigungsantrag nach dem BEG gestellt hat. Dieser Vorgang ist koronabedingt noch nicht recherchiert worden.

 

 

 

Jochen Boczkowski im August 2022

 

Quellen:   

Stadtarchiv Kassel:   Meldeakten,   Adressbücher Kassel

Staatsarchiv Marburg:     Strafanstaltsakte Walter Buda – HStAM 251 wehlheiden 2248

Hauptstaatsarchiv Wiesbaden:     E-Akte Franz Buda – HHStAW Signatur 518 / 2336

arolsen archives

 

Oben: Transportzettel,  Veränderungsmeldung und Todesmeldung aus dem KZ Sachsenhausen (arolsen archives)

Unten: Brief Walter Budas aus dem Gerichtsgefängnis (Personalakten, der Brief wurde offensichtlich zurückgehalten)

 

Kassel, den 25.8.1935

 

Meine liebe Frau und Friedelchen !

Hoffentlich seid Ihr noch gesund und munter, habe nur keine

Post erhalten von Dir ist doch nichts passiert zu Hause. Bin

jetzt hier im Gerichtsgefängnis in Untersuchung, man will

mir Beihilfe zum Hochverrat zur Last legen weiß ich aber

gar nicht inwiefern. Macht euch den Kopf nicht schwer, wird ,

 es nicht so ausfallen wie die sich das ausdenken. Was machst

 Du denn noch zu Hause, leidest Du Hunger oder wie ist es.

 Holst Du Dir Miete vom Wohlfahrtsamt geholt oder nein,

 wenn nicht dann tuh es doch stellst einfach einen Antrag.

 Das Zimmer haben sie doch weggeholt das Wohlfahrtsamt. Bis

 Freitag kannst Du mich besuchen hier. Schatz kannst mir

 Aber bitte 5 Mark einzahlen, wenn es irgend möglich ist. Muß

 Man doch 3,00 M stehen haben, wenn man mal abgeht. Sei doch bitte so gut und schick mir gleich 5,00 M hierrunter damit ich mir  Tabak kaufen kann. Schickst mir meine Pfeife mit. Mein

liebes Täubchen gehst zur Mutter, die gibt auch Geld dazu, u.

Onkel Franz auch, und Tante Erna, mußt aber gleich hingehen

 und Geld holen und mir bringen. Mein Schätzchen so wird es

 mir so langweilig wir sind zu 2. auf einer Zelle. Also weißt Bescheid, wir sind am Freitag hier runtergekommen, Du

 warst beim Weg mit Deiner Wäsche. Was macht denn mein lieber Friedel sag ihm 1000 Küsse von mir soll immer schön artig sein, ich komme auch mal wieder. Onkel Franz kann doch auch mal schreiben für die alten Herrschaften sind wohl alle gesund. Viele Grüße an Sie. Mutter kann ja bis Freitag mitkommen oder wie.

 

Und Du mein liebes Frauchen, sei tausend mal gegrüßt und tausend

...

(Rückseite nicht leserlich)

 

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